Blindenlinien dürfen nicht mit E-Trottinetts blockiert werden
E-Trottis werden in Städten nicht nur auf Gehwegen, sondern auch auf der «Autobahn für Blinde» liegengelassen. Ein Betroffener erklärt, wo das Problem liegt.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz vergrössert sich das Netz an E-Trottinetts und Mietvelos immer weiter.
- Häufig werden die gebrauchten Geräte irgendwo abgestellt – manchmal auf den Blindenlinien.
- Gerd Bingemann vom SZBLIND erklärt, warum das bisweilen gefährlich werden kann.
Mit E-Trottinetts und Velos zugesperrte Gehwege und Plätze. Diese Bilder gehören in den grösseren Schweizer Städten mittlerweile zum Alltag. Doch die Fahrzeuge stehen manchmal nicht einfach nur im Weg – ab und zu liegen sie auch direkt auf dem Blindenleitsystem. Ein grosses Ärgernis, das für viel Diskussionsstoff sorgt.
Auch Gerd Bingemann, Verantwortlicher Interessenvertretung beim Schweizerischen Zentralverein für das Blindenwesen (SZBLIND), kennt die Problematik auf den weissen Leitlinien. Gegenüber Nau.ch erklärt er: «Aus eigener Erfahrung weiss ich: Man kollidiert als sehbehinderter Mensch relativ häufig mit dort abgestellten Hindernissen.»
«Autobahn für Blinde» mit Hindernissen blockiert
Die taktil-visuellen Linien fungieren nämlich als «Autobahn für Blinde». «Wir können mit ihrer Hilfe schneller und auch lockerer laufen», so der Sehbehinderte. Treffen blinde und sehbehinderte Menschen auf solche Leitlinien, entstehe ein regelrechter «Aufschnauf-Effekt».
Aber genau in solchen Situationen sind Blockierungen auf den Linien – wie Gepäckstücke, Velos oder eben E-Trottinetts – eine Gefahr. Durch die erhöhte Gehgeschwindigkeit stosse man viel eher mit den Gegenständen zusammen. Aber auch das Ausweichen verursache Stress, da man das sichere Leitsystem verlassen und nach dem Ausweichmanöver erst wieder finden muss.
Sind keine solchen Leitlinien vorhanden, laufen Blinde vor allem Routine-Wege ab. «Wir merken uns, wo es durch geht und orientieren uns neben den Trottoir-Kanten beispielsweise auch an Regenrinnen», erzählt Bingemann.
Blindenleitsystem als Erleichterung im Verkehr
Das Blindenleitsystem, das es seit 1995 in der Schweiz gibt, unterstützt Sehbehinderte vor allem an Bahnhöfen, im ÖV und auf unübersichtlichen Verkehrsknotenpunkten wie etwa Kreiseln. Auch Ampeln mit vibrierendem Reliefrichtungspfeil oder gar Akustiksignalen sind eine Erleichterung im Verkehr.
All diese Vorkehrungen werden in Absprache mit den verschiedenen Städten und ÖV-Betrieben organisiert. «Wir treffen in der Schweiz zum Glück häufig auf offene Ohren, wenn es um Lösungen für solche Probleme geht», erzählt Bingemann gegenüber Nau.ch.
Er habe zudem mitbekommen, dass auch ältere Menschen das Leitsystem oft als Hilfe nutzen, um sich an einem Bahnhof zurechtzufinden. «Die Linien führen immer irgendwohin, wo etwas Wichtiges steht – beispielsweise eine Treppe, ein Billetschalter oder zu sicherem Pflaster.»
Und genau deshalb sollte das Leitsystem so frei wie möglich gehalten werden. Denn «wir Blinden denken den Linien entlang, uns fehlt der Blick in die Fläche», so Bingemann.