Bund wird aktiv: Sklaverei-Fälle in der Schweiz nehmen stark zu

Carine Meier
Carine Meier

Bern,

Immer mehr Menschen werden in der Schweiz Opfer von Arbeitsausbeutung – und die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Nun hat der Bund einen Aktionsplan gestartet.

hausangestellte
Rechtlich gelten Privathaushalte als Arbeitgeber, wenn sie eine Putzfrau beschäftigen. (Symbolbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Moderne Sklaverei gibt es auch in der Schweiz – 2021 ermittelte die Polizei in 40 Fällen.
  • Experten warnen jedoch gerade beim Thema Arbeitsausbeutung vor einer hohen Dunkelziffer.
  • Nun will der Bund mit einem neuen Aktionsplan die Kantone zum Handeln bewegen.

Vom Arbeitgeber geschlagen, eingesperrt und zu Überstunden gezwungen – in der Schweiz gibt es immer mehr Fälle von moderner Sklaverei.

Während die Behörden im Jahr 2020 noch in 15 Fällen wegen Arbeitsausbeutung ermittelten, waren es nämlich 2021 schon deren 40. Dies zeigen unveröffentlichte Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS), die der «NZZ am Sonntag» vorliegen.

Im Sommer 2021 erregte ein Fall aus Winterthur ZH Aufsehen. Vor dem Bezirksgericht wurde ein Ehepaar verurteilt, weil es vier ausländische Nannys ausgebeutet hatte.

Kind
Eine Frau mit einem Kind. (Symbolbild) - Pixabay

«Ich hatte keinen Willen mehr», beschrieb eines der Opfer die Situation. Die im Ausland rekrutierten Frauen mussten täglich über 14 Stunden arbeiten, hatten kein eigenes Zimmer und wurden geschlagen.

Experten vermuten hohe Dunkelziffer

Die Arbeitgeber der Kindermädchen erhielten eine bedingte Gefängnisstrafe – was sie taten, gilt in der Schweiz als Menschenhandel. Jedoch sind Prozesse wegen Arbeitsausbeutung eher selten, obwohl es noch zahlreiche Betroffene geben könnte. Die Dunkelziffer ist hoch, bestätigt die Soziologin Sarah Schilliger gegenüber der Zeitung.

«Gerade die Hausarbeit findet im Privaten und häufig in grosser Isolation statt», so die Forscherin der Universität Bern. Daher sei es schwierig, Kontrollen durchzuführen, anders als etwa auf Baustellen. «Insbesondere die Angestellten, die im Haushalt selbst leben, arbeiten praktisch rund um die Uhr.»

Dazu kommt, dass viele der Betroffenen Sans-Papiers sind. Gemäss dem Staatssekretariat für Migration (SEM) arbeiten 34'000 Menschen ohne Papiere in Privathaushalten. Gemäss Schilliger kommen Zehntausende Migranten mit Aufenthaltsbewilligung dazu.

In der Politik hat das Thema jedoch bislang nicht viel Aufmerksamkeit erhalten. Erst seit 2020 unterscheidet das BFS bei Fällen von Menschenhandel zwischen «sexueller Ausbeutung» und «Ausbeutung der Arbeitskraft». Dabei machte letztere im Jahr 2021 bereits die Mehrheit der Fälle aus.

Aktionsplan setzt neuen Schwerpunkt

Nun will der Bund aber bei dem Thema einschreiten. Anfang 2023 wurde der dritte nationale Aktionsplan gegen Menschenhandel in Kraft gesetzt. Darin ist Arbeitsausbeutung erstmals ein Schwerpunkt.

Ist es wichtig, dass die Kantone stärker gegen Menschenhandel vorgehen?

Einige Kantone haben grossen Aufholbedarf bei dem Thema. Gerade im Graubünden besteht wegen der prekären Arbeitsverhältnisse in der Tourismusbranche ein Risiko von Ausbeutung, warnt Schilliger. Laut einer Studie des Fedpol hinkt der Bergkanton aber genau wie Jura und Schaffhausen bei der Prävention hintendrein.

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