Der Bundesrat will mehr Spielraum haben bei der Bewilligung von Kriegsmaterial-Ausfuhren, auch mit Rücksicht auf die Schweizer Industrie.
Die Wiederausfuhr von Schweizer Kriegsmaterial soll laut der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats in gewissen Fällen möglich werden. (Archivbild)
Die Wiederausfuhr von Schweizer Kriegsmaterial soll laut der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats in gewissen Fällen möglich werden. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI

Er hat am Mittwoch die Vernehmlassung eröffnet zu einer vom Parlament verlangten, aber umstrittenen Änderung des Kriegsmaterialgesetzes. Gemäss der vorgeschlagenen Abweichungskompetenz soll der Bundesrat bei ausserordentlichen Umständen von den gesetzlich verankerten Bewilligungskriterien abweichen können, wenn die Wahrung von aussen- und sicherheitspolitischen Interessen es erfordert. Verlangt hatte die Anpassung das Parlament mit einer Motion.

Dieser Vorstoss greife einen Vorschlag auf, den die Landesregierung vor gut drei Jahren selbst gemacht hatte, und zwar im indirekten Gegenvorschlag zur Korrektur-Initiative, schreibt der Bundesrat zum Entscheid. Die Initiative verlangte, Kriegsmaterial-Exporte in Bürgerkriegsländer zu unterlassen. In den Räten wurde dieser Vorschlag des Bundesrates dann aber abgelehnt.

Internationale Verpflichtungen der Schweiz

Der Bundesrat muss sich gemäss dem Vernehmlassungsentwurf trotz Abweichungskompetenz ans Neutralitätsrecht und an die internationalen Verpflichtungen der Schweiz halten. Ein Abweichen von den Bewilligungskriterien ist auch nicht möglich bei Ländern, die die Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzen.

Vor allem in Staaten, mit denen die Schweiz Handel mit Kriegsmaterial betreibt, will der Bundesrat Kriegsmaterial-Exporte neu bewilligen können, wenn dies nach heutigem Recht nicht möglich ist. Unter anderem ist es verboten, an Länder zu liefern, die in interne oder internationale Konflikte verwickelt sind.

Der Bundesrat will mehr Flexibilität nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Schweizer Rüstungsindustrie. Die neue Kompetenz bezwecke in erster Linie, im Falle ausserordentlicher Umstände die Einbindung der Schweizer Sicherheits- und Wehrtechnikindustrie in die komplexen internationalen Wertschöpfungsketten aufrechtzuerhalten, schreibt er.

Greift der Bundesrat auf die Abweichungskompetenz zurück, muss er das Parlament einbeziehen. Dieses solle seiner Aufsichtsrolle über die Exekutive vollumfänglich nachkommen können, schreibt er. Auch soll nur während einer begrenzten Zeit von den Bewilligungskriterien abgewichen werden dürfen.

Beschliesst der Bundesrat die Abweichung mit einer Verfügung, muss er die Sicherheitspolitischen Kommissionen der Räte innert 24 Stunden darüber informieren. Erlässt er hingegen eine Verordnung, muss diese gemäss Vorschlag «angemessen» befristet sein.

Gelten kann sie maximal vier Jahre. Eine einmalige befristete Verlängerung ist möglich. Soll die Ausnahmekompetenz noch länger gelten, muss der Bundesrat eine Gesetzesanpassung beantragen, und diese würde dann dem fakultativen Referendum unterstehen.

Zeitliche Dringlichkeit

Will der Bundesrat auf die Abweichungskompetenz zurückgreifen, muss dies zeitlich und auch aus sachlichen Gründen derart dringend sein, dass die Zeit nicht reicht für gesetzgeberische Arbeiten. Zeitliche Dringlichkeit könnte zum Beispiel gegeben sein, wenn Komponenten, für die ein Ausfuhrgesuch vorliegt, im Ausland sehr dringend gebraucht werden, wie es im Bericht zur Vorlage heisst.

Mehr Spielraum für den Bundesrat beim Bewilligen von Exportgesuchen für Kriegsmaterial forderte im Dezember 2023 das Parlament mit einer Motion. Gegen den Widerstand von SP, Grünen und GLP sagten die Räte Ja zum Vorstoss für eine Ergänzung des Kriegsmaterialgesetzes.

Das Umfeld habe sich seit dem Beginn des Angriffskriegs von Russland in der Ukraine im Februar 2022 stark verändert, hiess es aus dem Befürworterlager. Eine starke Rüstungsindustrie sei wichtig für die Schweiz und für Kunden dieser Industrie im Ausland. Ein Freipass für den Bundesrat sei die Abweichungskompetenz nicht.

Die Gegner erinnerten im Parlament daran, dass die Räte den fraglichen Artikel aus dem Gegenvorschlag des Bundesrats zur Korrektur-Initiative gestrichen hätten. Das habe entscheidend zum Rückzug der Initiative beigetragen. Es sei undemokratisch, die Bestimmung dennoch einzuführen.

Nur Minuten nach dem Entscheid im Nationalrat für die Motion kündigte die Gruppe Schweiz ohne Armee (Gsoa) das Referendum gegen die geplante Gesetzesrevision an. Die Grünen teilten mit, sie würden ein solches prüfen.

Die Vernehmlassung dauert bis zum 4. September.

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