Bürgerliche Parlamentsmitglieder lobbyieren selten ehrenamtlich
Mehr als jedes dritte ausserparlamentarische Mandat der Schweizer National- und Ständeräte ist bezahlt. Männer und Bürgerliche machen weniger ehrenamtlich.
Das Wichtigste in Kürze
- Mehr als jedes dritte Mandat der Schweizer National- und Ständeräte ist bezahlt.
- Besonders viele bezahlte Mandate haben die Mitte-EVP-Fraktion und die SVP-Fraktion inne.
- Männer lassen sich zudem häufiger bezahlen für ihre Mandate.
Mehr als jedes dritte ausserparlamentarische Mandat der Schweizer National- und Ständeräte ist bezahlt. Die bürgerlichen Parlamentsmitglieder lobbyieren zudem seltener ehrenamtlich als die Vertreter der linken Parteien, wie eine am Montag publizierte Auswertung zeigt.
An der Spitze der Rangliste gebe es ein «Kopf-an-Kopf-Rennen» zwischen der Mitte-EVP-Fraktion und der SVP-Fraktion, teilte die Plattform Lobbywatch am Montag mit. Die Parlamentsmitglieder beider Fraktionen liessen sich beinahe jedes zweite Mandat von einem Unternehmen oder einem Verband bezahlen.
Auf dem dritten Platz folge die FDP-Fraktion, in der 38 Prozent der Mandate gegen Entschädigung ausgeübt würden. Die GLP nehme mit 33 Prozent eine klassische Mittelposition ein. Deutlich weniger Geld liesse sich offenbar für die Mitglieder der SP und der Grünen holen. Sie kämen nur auf 25 (SP), respektive 23 Prozent (Grüne) bezahlte Mandate.
Absolute Zahlen
Auch in absoluten Zahlen liegt die Mitte-EVP-Fraktion an der Spitze. So vereinen die 45 Fraktionsmitglieder 245 bezahlte Mandate. Bei der leicht grösseren SP-Fraktion sind es nicht einmal die Hälfte. Doch auch die 62-köpfige SVP-Fraktion vereint mit insgesamt 186 bezahlten Mandaten deutlich weniger bezahlte Mandate pro Kopf als die Mitte-Fraktion.
Bei den Parlamentarierinnen und Parlamentariern liegt Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel (AG) mit 21 bezahlten Mandaten an der Spitze, gefolgt vom Luzerner FDP-Nationalrat Peter Schilliger mit 18 bezahlten Mandaten. Auf dem geteilten dritten Platz liegt Bundesratskandidat Albert Rösti (SVP/BE) zusammen mit Martin Schmid (FDP/GR).
Ob ein Mandat bezahlt ist oder nicht, kommt stark auf die Branche an. Die Bereiche Wirtschaft, Landwirtschaft und Energie entlöhnen über die Hälfte ihrer Mandate. Der Bereich mit den meistbezahlten Mandaten in absoluten Zahlen ist dabei klar die Wirtschaft. Sie bezahlt für rund 340 ihrer Mandate – über 80 Prozent davon werden von Parlamentsmitgliedern bürgerlicher Parteien ausgeübt.
Auf dem zweiten Platz folgt der Gesundheitsbereich mit über 100 bezahlten Mandaten – das entspricht etwas weniger als der Hälfte aller Mandate. Fast immer ehrenamtlich sind Lobby-Mandate im Umweltbereich, der Kultur und der Aussenpolitik/Aussenwirtschaft.
Geschlechterunterschiede
Einen Unterschied gibt es zudem bei den Geschlechtern. Männer lobbyieren eher für Geld als Frauen. Konkret werden weniger als ein Drittel aller bezahlten Mandate von Parlamentarierinnen ausgeübt, dies bei einem Frauenanteil im Parlament von rund 40 Prozent. Einzig in den Branchen Kultur, Aussenpolitik/Aussenwirtschaft und Soziale Sicherheit haben Parlamentarierinnen mehr bezahlte Mandate als Parlamentarier.
Laut Lobbywatch zeigt die Auswertung, dass in gewissen Bereichen ein «massives finanzielles Ungleichgewicht» besteht. Gewisse Branchen könnten offensichtlich viel mehr Geld einsetzen als andere und hätten so bessere Chancen, ihre Anliegen ins Parlament zu bringen, so Lobbywatch. Die Organisation fordert mehr Transparenz bezüglich der Höhe der Entschädigungen. Nur so könne das Ungleichgewicht auch beziffert werden.
Seit Beginn der laufenden Legislatur müssen die Mitglieder von National- und Ständerat angeben, welche ihrer Interessenbindungen bezahlt sind und welche sie ehrenamtlich ausüben. Lobbywatch hat die Daten nun zum ersten Mal ausgewertet.