Corona: «Impfstatus als Triage-Kriterium ethisch nicht vertretbar»
Im «Club» wurde die Triage diskutiert. Der Impfstatus gegen Corona sei als Kriterium untauglich, so ein IPS-Arzt. Er komme aber per se zum Vorschein.
Das Wichtigste in Kürze
- Im «SRF-Club» sagt ein Infektiologe, dass der Impfstatus ein Triage-Kriterium sein könnte.
- Eine Ethikerin erklärt, dass die Lebensprognose und der erwartete Aufwand wichtig seien.
- Gemäss einem IPS-Leiter komme der Impfstatus bei der Triage per se zum Vorschein.
Die Intensivstationen der Schweizer Spitäler sind zu rund 80 Prozent ausgelastet, rund jeder dritte Patient leidet an Covid. Gleichzeitig steigen die Infektionszahlen mit dem Coronavirus stetig, weitere Hospitalisierungen drohen. Deshalb wird immer häufiger über die Triage gesprochen, das Verfahren, das angewendet wird, wenn nicht mehr genügend Kapazität vorhanden ist. Auch im «SRF-Club» war dies das Thema.
Auf Twitter wurde die Sendung mit einem Zitat von Infektiologe Andreas Widmer beworben: «Es kann nicht sein, dass Ungeimpfte den Geimpften den Platz auf der IPS wegnehmen und so deren Überlebenschancen mindern.» Ein klares Votum dafür, dass der Impfstatus ein Kriterium der Triage sein soll?
Auf den Intensivstationen wird es eng, die meisten Covid-Patienten sind nicht geimpft. Das kann zu Ungerechtigkeiten führen, findet Infektiologe und #swissnoso Präsident Andreas Widmer. Heute im #SRFClub zu «Corona - Zerreissprobe Triage», um 22.25 Uhr auf @SRF pic.twitter.com/g47fYptIQF
— Barbara Luethi (@BarbaraLuethi) December 7, 2021
In der Sendung schwächt Widmer seine Aussage aber ab: «Die Impfung gegen Corona kann ein Kriterium sein.» Ganz anders sieht es Medizinethikerin Tanja Krones und erklärt die definierten Kriterien: «Die kurzfristige Lebensprognose ist für die IPS-Aufnahme entscheidend.» Wichtig sei auch, ob ein Patient dies überhaupt wolle, und dass niemand diskriminiert werde.
«Das Ziel der Triage ist es, möglichst viele Menschenleben zu retten», so Krones. Deshalb sei auch der erwartete Aufwand als Kriterium hinzugekommen. Und dies betreffe auch die Covid-Patienten.
«Der Impfstatus ist als Kriterium der Triage auf der IPS nicht tauglich und ethisch nicht vertretbar», sagt Hans Pargger. Der Chefarzt und Leiter der Intensivstation des Unispitals Basel wiederholt, dass die Impfung freiwillig sei. Doch der Impfstatus komme bei der Triage per se zum Vorschein.
Ein schwerer Corona-Fall verschlechtere die Prognosen. Viele ungeimpfte Corona-Patienten hätten einen schwereren Verlauf, so Hans Pargger. Deshalb seien sie im Vergleich mit anderen so schwer krank, «dass sie der Triage zum Opfer fallen».
Medizinethikerin: Verursacher-Prinzip bestraft Arme
Für Widmer könne der Impfstatus ein Kriterium sein, da es um die Frage gehen, inwiefern es Selbstverschulden sei. Der Entscheid basierend auf Selbstverschulden sei eine verbreitete moralische Intuition, so Medizinethikerin Krones.
Doch wenn man dieses Prinzip anwende, müsse man es konsequent durchdenken, warnt Krones. Man müsste es dann auch auf den verletzten Skifahrer anwenden, der die schwierigere Piste genommen hat. Zudem sei Corona auch ein Faktor der sozialen Lage. Covid-19 sei eine Krankheit der Armen, sie steckten sich mehr an, testeten sich weniger und würden häufiger sterben.
«Wenn man mit dem Verursacher-Prinzip argumentiert», sagt Krones, «dann werden die Armen doppelt bestraft.»