Coronavirus: 20 Prozent Positivitätsrate – Was bedeutet das?
Die Positivitätsrate der Tests ist in den vergangenen Wochen nach oben geschnellt. Liegt dies daran, dass das Coronavirus zum «dominanten Virus» geworden ist?
Das Wichtigste in Kürze
- In den letzten Wochen stieg die Positivitätsrate der Tests von fünf auf zwanzig Prozent.
- Beim BAG herrscht angesichts der hohen Zahl Besorgnis.
- Das Coronavirus sei zum «dominanten Virus» geworden, so Stefan Kuster vom BAG.
Seit zwei Wochen schiesst die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus in die Höhe: Die zweite Welle trifft mit voller Wucht ein. Das zeigt sich nicht nur bei den Infektionszahlen – zeitgleich hat auch die Positivitätsrate einen steilen Aufstieg begonnen.
In den vergangenen Monaten lag die Positivitätsrate relativ stabil bei drei bis sechs Prozent. In den vergangenen Tagen ist sie drastisch in die Höhe geschnellt.
Am 9. Oktober wurde erstmals seit der ersten Welle die 10-Prozent-Marke geknackt, am 15. Oktober waren es bereits 15 Prozent. In den vergangenen Tagen lag sie über 20 Prozent.
Damit liegt sie im Bereich der Positivitätsrate der ersten Welle – aufgrund unterschiedlicher Testbedingungen bleiben die Situationen jedoch schwer vergleichbar.
BAG-Kuster wegen hoher Positivitätsrate «gar nicht erfreut»
Der Leiter der Abteilung Infektionskrankheiten vom BAG Stefan Kuster kommentierte die Positivitätsrate an der Pressekonferenz von gestern Dienstag. Man sei derzeit weit von der Vorgabe der WHO entfernt: Die Weltgesundheitsorganisation hält Positivitätsraten von unter fünf Prozent hinsichtlich der Dunkelziffer für unbedenklich.
Doch was bedeutet es, wenn die Positivitätsrate steigt? Und wieso soll es ein Hinweis auf eine hohe Dunkelziffer nicht erkannter Fälle sein?
Das Testen auf das Coronavirus kommt einer Suche nach den Infizierten gleich. Liegt die Positivitätsrate bei fünf Prozent, werden also zwanzig Tests durchgeführt, um eine Infektion aufzuspüren. Liegt die Positivitätsrate bei 20 Prozent, bedeutet das, dass nur fünf Tests durchgeführt werden, um eine positive Person zu finden. Man sucht also weniger gründlich.
Steigt die Positivitätsrate bei konstanten Infektionszahlen, so ist dies also ein deutlicher Hinweis auf eine wachsende Dunkelziffer.
Coronavirus das «dominante Virus»?
Einzig, wenn gezielter getestet würde, wäre eine steigende Positivitätsrate bei konstanten Infektionen unter Umständen unbedenklich: Es könnte bedeuten, dass die Corona-Infizierten gezielter aufgedeckt werden. Indizien, dass dieser Effekt derzeit die Positivitätsrate beeinflusst, gibt es laut Kuster jedoch nicht.
Kuster gibt jedoch noch einen weiteren Hinweis, der die steigende Positivitätsrate zumindest teilweise erklären könnte: Das Coronavirus sei wieder zum «dominanten Virus» in der Gesellschaft geworden. Doch was bedeutet das?
Permanent zirkulieren verschiedene Erkältungsviren. Viele von ihnen verursachen ähnliche Symptome – beispielsweise Husten, Heiserkeit oder Fieber. Zahlreiche Menschen, die negativ auf das Coronavirus getestet werden, haben sich mit einem Erkältungsvirus infiziert, das ähnliche Symptome verursacht.
Der Anteil an Erkältungssymptomen, welche durch das Coronavirus ausgelöst wurden, dürfte in den vergangenen zwei Wochen stark zugenommen haben. Prozentual ist der Anteil an Menschen, deren Symptome auf das Coronavirus zurückgeführt werden kann, also gestiegen: Das Coronavirus ist im Vergleich zu den typischen Erkältungsviren also zum «dominanten Virus» geworden.
Das hat wiederum einen Einfluss auf die Positivitätsrate: Ein Grossteil der Tests wird bei Menschen mit typischen Erkältungssymptomen durchgeführt. Wenn prozentual mehr Menschen mit Erkältungssymptomen tatsächlich das Coronavirus haben, steigt die Positivitätsrate.