Coronavirus: Darum sinken die Zahlen nicht schneller

Jochen Tempelmann
Jochen Tempelmann

Bern,

Nach dem erfreulichen Rückgang der Infektionen mit dem Coronavirus stagnieren die Zahlen. Ist die Eigenverantwortungsstrategie gescheitert?

Black Friday
Black Friday in der Zürcher Bahnhofsstrasse. (Symbolbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In vielen Kantonen stagnieren die Neuinfektionen auf hohem Niveau.
  • Dabei hat sich an den Massnahmen nichts geändert.
  • Die Schweizer Strategie funktioniert nur mit viel Selbstverantwortung.

Der November war ein Monat der guten Nachrichten. Nachdem die Situation mit dem Coronavirus bis Mitte des Monats vielerorts kritisch war, folgte eine deutliche Entspannung. Die Neuinfektionen gingen deutlich zurück.

Seit Kurzem hat sich dies wieder geändert: Das Schlagwort der Stunde ist Stagnation – so auch im BAG-Wochenbericht. Der akute Engpass im Gesundheitssystem wurde abgewendet. Doch die Zahlen bleiben zu hoch, um an eine «Normalität» wie im Sommer zu denken. Dabei hat sich an den Massnahmen doch nichts geändert – wo liegt das Problem?

Coronavirus: Zahlen stagnieren dort, wo weniger Massnahmen in Kraft sind

Ein Blick in die Statistiken der Kantone hilft, die Situation zu erklären. In zehn Kantonen haben die Neuinfektionen wieder leicht zugenommen. Darunter befinden sich alle grossen Deutschschweizer Kantone mit Ausnahme von Bern. Deutliche Rückgänge lassen sich vor allem noch in der Westschweiz feststellen.

Coronavirus Zahlen Neuinfektionen Stagnation
Die neu registrierten Fälle des Coronavirus zwischen 26.11. und 2.12. im Vergleich zu den vorherigen sieben Tagen – blau dargestellt sind Kantone mit strikten Regeln. - BAG/Nau.ch

Es zeigt sich, dass die Zahlen vor allem in Kantonen zurückgehen, in denen strikte Regeln in Kraft sind. So sind die Neuinfektionen in allen Kantonen, in denen die Gastronomie geschlossen bleibt (blau), weiter zurückgegangen.

Massnahmen alleine genügen nicht

In der zweiten Welle wurden schon häufig Parallelen mit Schweden gezogen. Der Vergleich ist naheliegend: Beide Länder verlassen sich nicht alleine auf die Massnahmen, sondern setzen auf ein eigenverantwortliches Handeln der Bevölkerung.

Bundesrat Alain Berset formulierte dies vor einer Woche so: «Heute sieht es viel besser aus. Dank den strikten Massnahmen von Bund und Kantonen, aber vor allem dank der Akzeptanz der Strategie in der Bevölkerung. Der Mix aus Selbstdisziplin, Eigenverantwortung und Vernunft hat sich bewährt.»

Doch dabei ist es nicht geblieben – mancherorts nehmen die Fälle wieder zu. Da die Massnahmen nicht gelockert wurden, muss es an einem veränderten Umgang der Bevölkerung mit der Situation liegen.

Berset: «Wir sind noch lange nicht am Ziel»

Der akute Gesundheitsnotstand wurde abgewendet – dafür erhielt die Schweizer Bevölkerung das Lob Bersets. Gleichzeitig warnt der Gesundheitsminister jedoch: «Wir sind noch lange nicht am Ziel.»

Coronavirus Alain Berset
«Wir sind noch lange nicht am Ziel»: Bundesrat Alain Berset ermahnt, weiterhin achtsam zu bleiben. - Keystone

Wenn die Zahlen nicht weiter sinken, ist auch eine Lockerung der Massnahmen in absehbarer Zeit unwahrscheinlich. Das Risiko, wieder in eine Situation wie im Oktober zu rutschen, besteht. Die Botschaft der Behörden: Angesichts der herannahenden Festtagsbesuche bleibt Achtsamkeit daher so wichtig wie eh und je.

Graubünden zog gestern Donnerstag bereits die Notbremse: Um die Fallzahlen bis Weihnachten senken zu können, wurde die Schliessung aller Restaurants beschlossen. Die Frage, wie schnell es gelingt, die Zahlen weiter zu senken, bleibt offen. Davon dürfte auch abhängig sein, wie schnell eine Massnahmen-Lockerung wie im Frühling eintritt.

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