Coronavirus: Darum steigen in Grenz-Kantonen die Infektionen
Das Wichtigste in Kürze
- In mehreren Grenz-Kantonen sind die Corona-Neuinfektionen letzte Woche angestiegen.
- Im Verhältnis zur Wohnbevölkerungsgrösse hatte der Jura zuletzt am meisten Neuinfektionen.
- Auf der anderen Seite der Grenze sind die Zahlen auf den ersten Blick tief.
Die Zahl der täglichen Neuinfektionen mit dem Coronavirus ist in der vergangenen Woche schweizweit stabil geblieben. Doch die Entwicklung sieht von Kanton zu Kanton anders aus. In der Hälfte der Kantone ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen letzte Woche im Vergleich zur Vorwoche angestiegen.
Den prozentual deutlichsten Anstieg hatten dabei gleich vier Grenzkantone: Basel-Stadt. Basel-Land, Graubünden und Genf. Auch im Tessin ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen prozentual gestiegen.
Im Kanton Jura ist die Zahl im Vorwochen-Vergleich zwar wieder gesunken. Doch setzt man die Fallzahlen ins Verhältnis zur Grösse der Wohnbevölkerung, weist der Kanton den Spitzenwert vor.
Tiefere Zahlen in französischen Grenzgebieten
Doch warum sind die Fallzahlen ausgerechnet in den an Frankreich grenzenden Kantonen so stark angestiegen? Vielleicht liefert ein Blick nach Frankreich hierzu eine Antwort.
Der meistverbreitete Indikator für die Verbreitung des Coronavirus ist mittlerweile die 7-Tage-Inzidenz: Sie gibt an, wie viele Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner in der vergangenen Woche registriert wurden. Im Jura betrug dieser Wert Ende letzter Woche 16.
Die neusten Zahlen der offiziellen französischen Plattform «Santé Publique France» zur 7-Tage-Inzidenz stammen vom 10. Juli. Im Département Haut-Rhin, welches die Grenzgebiete um Basel umfasst, wurden 3,8 Fälle pro 100'000 Einwohner verzeichnet.
In den an die Juraregion angrenzenden Départements Doubs und Territoire de Belfort betragen die Werte 3,7 beziehungsweise 1,4. Auch in den Grenzregionen des Waadtlands und Genfs sieht es ähnlich aus: Das Département Jura verzeichnet mit 4,3 Fällen die höchste 7-Tage-Inzidenz.
In Frankreich wird weniger getestet
Auch das an Basel grenzende deutsche Bundesland Baden-Württemberg weist derzeit lediglich 1,9 Fälle auf. Interessant ist dabei, dass in Deutschland und in der Schweiz deutlich mehr auf das Coronavirus getestet wird als in Frankreich. In der Schweiz wurden bisher auf eine Million Menschen rund 80'000 Personen getestet. In Deutschland liegt dieser Wert bei etwa 76'000.
In Frankreich werden hingegen rund halb so viele Menschen auf das Coronavirus getestet. Der Schnitt unserer Nachbarn liegt gemäss «worldometers» bei rund 38'000.
Epidemiologe: «Grenzgänger erhöhen potenzielle Übertragung des Coronavirus»
Marcel Tanner, Epidemiologe und Mitglied der Corona-Task-Force, hält die Dynamik der Bevölkerung, «das grosse Hin und Her» an den Grenzen für entscheidend. «In den Grenzkantonen haben wir Tausende Grenzgänger am Tag. Dort ist die Bewegung besonders gross und somit auch die potentielle Übertragung des Virus erhöht.»
Gerade an den Grenzen sei es schlicht nicht möglich, jeden Autofahrer oder Zug-Passagier zu kontrollieren oder etwa Fieber zu messen. Auch könne man davon ausgehen, dass die Infiziertenzahlen auch im Ausland deutlich höher sind, als durch die Tests bekannt.
«Überall, wo mehr Bewegung in der Bevölkerung ist, ob bei Grenzgängern oder bei einer Grossveranstaltung, ist es viel schwieriger zu erfassen, wie es welcher Person geht.» Und somit auch das Contact Tracing. Kommt hinzu: «Frankreich etwa kann die Schweizer Covid-App noch nicht nutzen, es gibt noch keine Kompatibilität.»
Daher sei es wichtig, dass die Kantone verstehen, in welchem Kontext sie stehen. «Lobenswert ist beispielsweise, dass Basel-Stadt, wie auch Solothurn und Aargau in Anbetracht der eingeschätzten Risiken wieder nur maximal 100 Personen an Veranstaltungen zulassen.»