Coronavirus: Das müssen Sie über die spanische Variante wissen
Schweizer Forscher haben eine neue Variante des Coronavirus entdeckt, die sich rasant ausbreitet. Studienverfasserin Emma Hodcroft ordnet die Erkenntnisse ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Schweizer Wissenschaftler haben die Verbreitung einer neuen Corona-Variante erforscht.
- «20A.EU1» ist für viele der derzeitigen Infektionen verantwortlich.
- Anzeichen, dass die Variante gefährlicher oder ansteckender ist, gibt es nicht.
Gestern Donnerstag sorgt eine neue Schweizer Studie zum Coronavirus für Aufsehen: Wissenschaftler der Universität Basel und der ETH Zürich konnten die Ausbreitung eines neuen Virenstamms in Europa aufzeigen.
Seit Juni hat sich die Variante «20A.EU1» des Coronavirus in weiten Teilen Europas verbreitet – so die Erkenntnis aus der Forschung. Über die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis hat Nau.ch mit Studienverfasserin Emma Hodcroft, Epidemiologin an der Universität Basel gesprochen.
Coronavirus mutiert auf natürliche Weise
Dass das Coronavirus mutiert, ist bereits seit längerem bekannt. Immer wieder verändern sich einzelne Teile des Viren-Genoms. Dadurch entstehen immer neue Varianten des Virus: Diese können unter Umständen neue Eigenschaften haben.
20A.EU1 ist eine der neu entstandenen Varianten. Die Wissenschaftler konnten den Ursprung des neuen Stamms in Spanien verorten: Dort hat sich der neue Stamm im Mai und Juni erstmals unter Arbeitskräften in der Landwirtschaft verbreitet. Mittlerweile sind in Mitteleuropa je nach Region zwischen dreissig und neunzig Prozent der Infektionen auf die neue Variante zurückzuführen.
Warum sich ausgerechnet die neue Variante derart ausbreiten konnte, ist noch nicht ganz klar. «Es handelte sich um einen perfekten Sturm», versucht Emma Hodcroft die Situation zu rekonstruieren. Unter den landwirtschaftlichen Gastarbeitern habe sich das Virus schnell ausbreiten können: Die Ausgangslage war eine ähnliche wie beispielsweise beim Fleischverarbeiter Tönnies.
Von dort aus sei die neue Variante des Coronavirus vermutlich auf die lokale Bevölkerung übergesprungen. Von dort aus konnte sich das Virus mit der Lockerung der Reisebeschränkungen im Sommer über ganz Europa verbreiten.
Ist die neue Variante gefährlicher?
Es wurden bereits verschiedene Szenarien für mögliche langfristige Virenmutationen aufgestellt. Das Virus profitiert von leichterer Übertragbarkeit, aber auch von weniger schweren Krankheitsverläufen. Vor diesem Hintergrund formulierte der deutsche Virologe Christian Drosten die Theorie, das Coronavirus könnte langfristig zum harmlosen Schnupfen mutieren.
Ob dies beim neuen Virenstamm der Fall ist, ist noch unklar. Im ersten Schritt sei das Ziel gewesen, die neue Variante ausfindig zu machen. Nun geht es darum, die neue Variante im Vergleich mit anderen Virenvarianten zu analysieren. Bis jetzt gebe es noch keine Hinweise darauf, dass die neue Variante gefährlicher oder weniger gefährlich sein könnte.
«Wir erwarten nicht, dass sich der Krankheitsverlauf der neuen Variante von vorherigen Unterscheidet. Wir versuchen jedoch, klinische Daten zu für die genaue Analyse zu erhalten», so Hodcroft. Auch, ob sich der neue Virenstamm schneller verbreitet, liegt noch im Ungewissen. Hodcroft hält es jedoch für unwahrscheinlich.
Wirken Impfstoffe gegen die neue Variante?
Doch nicht nur bezüglich Gefährlichkeit und Infektiösität gibt es noch offene Fragen zur neuen Variante. «Bei der neuen Variante konnten wir auch an den Spike-Proteinen Veränderungen feststellen», erklärt Hodcroft. Die «Stacheln» des Virus werden vom Abwehrsystem des Körpers erkannt. Verändern sie sich zu stark, können die menschlichen Antikörper das Virus nicht mehr erkennen.
Das würde nicht nur bedeuten, dass eine Infektion mit einer anderen Variante nicht mehr gegen das Virus immunisiert: Schlimmstenfalls würde selbst eine Impfung gegen andere Virenvarianten nicht mehr vor der neuen Variante schützen. Muss die Impfstoff-Entwicklung nun von vorne beginnen?
«Das ist eine gute Frage, die wir genau betrachtet haben», so Hodcroft. Die Antikörper erkennen nur einen kleinen Teil der Spike-Proteine. An diesem seien jedoch keine Veränderungen festgestellt worden. «Die Mutation ist nicht in dem Teil des Virus, der für die Antikörper von Bedeutung ist.»