Corona Mutation: Virus könnte zum harmlosen Schnupfen werden
Das Wichtigste in Kürze
- Der deutsche Virologe Christian Drosten sagt, das Coronavirus könnte zum Schnupfen werden.
- Das Virus mutiert laufend – in Zukunft könnte sich das Virus völlig anders manifestieren.
- Ist Drostens Schnupfen-Hypothese realistisch? Nau.ch fragt einen Infektiologen.
Der deutsche Virologe Christian Drosten ist in der Corona-Krise zu einem der wichtigsten Experten im deutschsprachigen Raum geworden. Wöchentlich diskutiert der Institutsdirektor des Berliner Charité-Krankenhauses in einem Podcast des NDR die neuesten Forschungsergebnisse rund um SarS-CoV-2.
Am vergangenen Dienstag stellte der Medizinprofessor eine spannende These auf: Das neue Coronavirus könnte mutieren – und damit langfristig harmloser werden. Die schweren Lungenentzündungen könnten dank der Corona-Mutation verschwinden, so Drosten: «Das Ganze wird auf lange Sicht zu einem Schnupfen, der sich für die Lunge gar nicht mehr interessiert.»
Wie kommt Drosten zu dieser Hypothese? Was hat es mit der Virenmutation auf sich? Und wie wahrscheinlich ist das Szenario?
Virenmutation ist ein natürlicher Prozess
Drostens Vermutung stützt sich auf eine neue Studie aus Grossbritannien: Katharina A. Lythgoe von der Universität Oxford hat mit zahlreichen Co-Autoren die Mutationen des Coronavirus untersucht. Die britischen Wissenschaftler fanden heraus, dass SARS-CoV-2 bereits mutiert: Es gibt schon jetzt verschiedene Virenstämme, welche sich genetisch voneinander unterscheiden.
Mutationen treten in Viren natürlich auf. Das Ziel eines Virus ist – ähnlich wie bei Pflanzen und Tieren – die eigene Reproduktion. Mutationen können dabei helfen: Durch zufällige Veränderungen am genetischen Code des Virus kann es neue Eigenschaften dazugewinnen, welche dem Virus bei der Vermehrung helfen.
Corona-Mutationen für den evolutionären Fortschritt
Mithilfe von Mutationen versucht ein Virenstamm, einen evolutionären Vorteil zu erhalten. Genetische Anpassungen, welche das Virus leichter übertragbar machen, sind die Folge. Dabei ist der schnelle Tod des Wirts nicht «im Interesse» des Virus: Stirbt der Träger des Virus, verhindert dies die weitere Übertragung.
An diesem Punkt setzt Drostens Theorie an: Das Virus könnte versuchen, mittels Gen-Mutationen eine bessere Übertragbarkeit zu erzeugen. Sollte sich die Infektion in der Nase statt in der Lunge manifestieren, würde dies die Chance der Übertragbarkeit erhöhen. Die Folge wäre ein Coronavirus ohne schwere Lungenkomplikationen – dafür hätten Covid-19-Patienten dann eine verschnupfte Nase.
Inselspital-Chefarzt zweifelt an Drosten-Theorie
«Drostens Hypothese ist möglich, aber auch nicht zwingend», gibt Hansjakob Furrer zu bedenken. Der Chefarzt der Infektiologie am Berner Inselspital ergänzt einen Punkt, den Drosten nicht anbringt: Die schweren Komplikationen, die bei Covid-19 auftreten, sind die Folge einer überschiessenden Immunreaktion des Körpers gegen das neue Coronavirus. Diese treten meist etwa 10-14 Tage nach der Infektion auf.
«Wenn die Krankheit in ihre besonders schwere Phase übergeht, ist der Patient meist schon nicht mehr sehr infektiös.» Furrer zitiert damit Ergebnisse aus der Forschung, die auch Drosten im NDR-Podcast bereits diskutiert hat: Das Coronavirus wird hauptsächlich in den ersten Tagen nach der Infektion weiter übertragen. Zu diesem Zeitpunkt sind die Symptome meist noch schwach ausgeprägt.
Damit stellt der teils schwere Krankheitsverlauf keinen direkten evolutionären Nachteil für das Virus dar: Zum Zeitpunkt des möglichen Todes des Wirts hat das Coronavirus seine Reproduktion bereits abgeschlossen.