Coronavirus: Die aktuelle Lage um Dexamethason und Remdesivir
Das Wichtigste in Kürze
- Epidemiologe Marcel Salathé hebt im Kampf gegen Corona zwei Medikamente hervor.
- Dexamethason kann die Sterblichkeit senken – Remdesivir die Genesungszeit verkürzen.
Epidemiologe Marcel Salathé zeigte sich am Wochenende optimistisch und sprach von wichtigen Fortschritten bei der Eindämmung des Coronavirus. Im Bereich der Medikamentenentwicklung sprach Salathé von zwei Ansätzen, die gut wirken: Dexamethason und Remdesivir. «Wir haben viel Grund zur Hoffnung.»
Das Medikament Remdesivir wurde vom US-Biotechkonzern «Gilead Sciences» zur Behandlung von Ebola-Patienten entwickelt. Ende April sorgte dann eine Studie aus den USA für Aufsehen. Der Virenhemmer verringere die Zeit bei der Genesung von Covid-19 Patienten, teile der Immunologe Anthony Fauci mit.
Auch in der Schweiz darf das Medikament seit dem 30. Juni Spitälern bei Patienten zur Behandlung von Covid-19 verabreicht werden. Die schweizerische Heilmittelbehörde «Swissmedic» stützte sich bei ihrem Entscheid ebenfalls auf die US-Studie: «Bei fast einem Drittel der Probanden verkürzte sich die Krankheitsdauer.»
Positive Wirkung von Remdesivir nur bei schweren Verläufen
Die positive Wirkung zeigte sich allerdings nur bei Covid-19 Patienten mit Lungenentzündung, die zusätzlichen Sauerstoff benötigen. Demzufolge soll in der Schweiz Remdesivir nur zur Behandlung von Patienten ab 12 Jahren mit einer Corona-bedingten Lungenentzündung eingesetzt werden. Die Dauer der Behandlung wird auf fünf Tage beschränkt.
Eine weitere Studie mit fast 600 Patienten, die Ende August publiziert wurde, kam zu einem anderen Ergebnis. Das Fazit im Fachmagazin «Jama» lautet: Weder nach einer 5-tägigen noch nach einer 10-tägigen Kur mit Remdesivir war ein statistisch signifikanter Unterschied festzustellen.
Einfluss von Remdesivir auf Sterberate umstritten
Eine Studie des Herstellers selbst kam zum Schluss, dass das Medikament das Sterberisiko um 62 Prozent senken könne. Ein unabhängiger Experte rät gegenüber der Nachrichtenagentur dpa aber zur Vorsicht bei der Interpretation der Daten.
Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sieht zwar Hinweise zur Wirksamkeit. Allerdings seien bei der Analyse zwei Gruppen angeschaut worden, die man nach geltenden Standards eigentlich nicht vergleichen dürfe.
Dexamethason bekämpft Coronavirus nicht direkt
Dexamethason ist ein Steroidhormon, das eine Überreaktion des Immunsystems dämpft. Es ist bereits seit den 60er-Jahren auf dem Markt und wird hauptsächlich gegen Entzündung eingesetzt.
Laut einer britischen Studie kann die Sterberate bei schwer an Covid-19 erkrankten Patienten um rund 12 Prozent gesenkt werden.
Anders als Remdesivir kann jedoch Dexamethason nicht als Corona-Heilmittel bezeichnet werden. Dies erklärte Hansjakob Furrer, Chefarzt der Infektiologie am Berner Inselspital, gegenüber Nau.ch: «Dexamethason hat keine direkte virostatische Wirkung», so Furrer.
Gegen das Coronavirus selbst hat das Medikament also keinen Effekt, nur gegen die durch das Virus hervorgerufenen Komplikationen.
Bei Covid-19 treten teilweise schwere Lungenentzündungen auf, aber auch Entzündungen der Gefässe im ganzen Körper. Wenn die schweren Komplikationen auftreten, ist die Viruslast bei den meisten Patienten jedoch schon zurückgegangen: Es handelt sich wahrscheinlich um eine verzögerte Reaktion des körpereigenen Immunsystems.
«Dexamethason ‹bremst› das Immunsystem, das überreagiert, und lindert darum die Symptome, welche durch die Überreaktion zustande kommen,» so Furrer.
Die WHO warnt in diesem Zusammenhang, Dexamethason nicht bei Patienten mit leichtem Verlauf der Krankheit einzusetzen.
Frage nach Spätfolgen bleibt offen
Sowohl Remdesivir und Dexamethason sind nach aktuellem Wissensstand zwei wichtige Bestandteile im Kampf gegen das Coronavirus. Bei schweren Krankheitsverläufen können sie helfen, die Sterberate zu senken und die Genesungszeit zu verkürzen.
Doch bisher sind die Spätfolgen einer Infektion mit dem Coronavirus noch weitgehend unbekannt. Es gibt Hinweise, dass verschiedene Organe wie Lunge und Herz Schäden davontragen könnten, auch bei milderen Krankheitsverläufen.
Deswegen bleibt es bei beiden Medikamenten derzeit bei «zwei vielversprechenden Ansätzen». Am effektivsten bleibt weiterhin, die Ansteckungen zu vermeiden und zu verhindern.