Coronavirus: Deswegen ist Dexamethason nicht der Durchbruch
Ein neuer Name taucht auf der Liste der Kandidaten für die Behandlung des Coronavirus auf: Dexamethason. Doch ein echter Heilmittel-Durchbruch ist es nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Forscher der Universität von Oxford belegen Behandlungserfolge mit Dexamethason.
- Das Medikament hat allerdings keine antivirale Wirkung.
- Dennoch kann das Medikament bei Intensivpatienten helfen.
Seit Dienstag geht ein neuer Begriff in der Behandlung des Coronavirus um die Welt. Wie Wissenschaftler der Universität von Oxford in einer Pressemitteilung kommunizierten, haben sie einen neuen Kandidaten für die Corona-Therapie gefunden: Dexamethason.
Einen Tag später ist der Begriff bereits um die ganze Welt gegangen. Selbst der WHO-Vorsitzende Tedros Adhanom Ghebreyesus lobte das Resultat als «lebensrettenden wissenschaftlichen Durchbruch»: Das weit verbreitete Präparat ist als Generikum in grösseren Mengen zu niedrigen Preisen verfügbar. Doch auch wenn Dexamethason Leben retten kann – die Welt ist einem Heilmittel damit nicht näher gekommen.
Mediziner entschlüsseln den Krankheitsverlauf des Coronavirus
Mittlerweile verstehen Mediziner den Ablauf der Covid-19-Erkrankung relativ gut: In der ersten Phase der Krankheit sind die Symptome mild bis nicht vorhanden. Nach einigen Tagen verschlechtert sich der Zustand der Patienten: Erst nun treten die schweren Lungenentzündungen auf, aber auch Entzündungen der Gefässe im ganzen Körper.
Diese Entzündungen können sich ganz verschieden manifestieren: Bei Kindern wurden Gefässentzündungen ähnlich dem Kawasaki-Syndrom erkannt. Auch beim Covid-Zeh handelt es sich wohl um eine Entzündung, die infolge des Coronavirus auftritt.
Wenn die schweren Komplikationen auftreten, ist die Viruslast bei den meisten Patienten jedoch schon zurückgegangen: Es handelt sich wahrscheinlich um eine verzögerte Reaktion des körpereigenen Immunsystems.
Was macht Dexamethason?
Dexamethason ist kein neues Medikament: Beim Wirkstoff handelt es sich um ein Glucocortikoid. Im Volksmund werden derartige Medikamente oft als «Cortison» bezeichnet.
Medikamente wie Dexamethason werden als «Immunsuppressiva» bezeichnet. Hansjakob Furrer, Chefarzt der Infektiologie am Berner Inselspital, erklärt: «Es ‹bremst› das Immunsystem, das überreagiert, und lindert darum die Symptome, welche durch die Überreaktion zustande kommen.»
Anders als bei Remdesivir oder Hydroxychloroquin kann jedoch nicht von einem «Corona-Heilmittel» die Rede sein: «Dexamethason hat keine direkte virostatische Wirkung», so Furrer. Gegen das Coronavirus selbst hat das Medikament also keinen Effekt, nur gegen die durch das Virus hervorgerufenen Komplikationen
Kein neuer Durchbruch, aber dennoch ein Erfolg
Ganz so neu sind die Erkenntnisse nicht: «Glucokortikoide wurden schon bisher bei ‹klinischer Indikation› in der Intensivmedizin angewendet», erklärt Furrer. Beobachtete man bei Patienten eine Überreaktion des Immunsystems, wurden ähnliche Medikamente bei einigen Patienten auch in Bern bereits eingesetzt.
Dennoch zieht Furrer Positives aus den in Oxford gewonnenen Erkenntnissen: «Neu ist, dass dies in einer randomisierten Studie untersucht wurde. Genau bei diesen ‹späten› Patienten war der beste Effekt vorhanden.» Damit bestätigen die Ergebnisse die Erkenntnisse aus der Praxis.
Erneut zeigt sich die Qualität der schweizerischen Medizin. Laut «Tagesanzeiger» starben in der Schweiz rund zehn Prozent der Intensivpatienten, in anderen Ländern waren es bis zu 40 Prozent: Vielerorts können die schweren Corona-Fälle nicht so eng betreut werden, wie hierzulande.
Dexamethason ist im Vergleich zu anderen Medikamenten verhältnismässig erschwinglich. Mit den neuen Erkenntnissen steht nun ein Mittel zur Verfügung, welches den schwerkranken Corona-Patienten helfen kann. Bisher wurden die Erkenntnisse jedoch nur in einer Medienmitteilung veröffentlicht und seien daher mit Vorsicht zu geniessen, warnt Furrer. Dennoch dürfte Dexamethason in den kommenden Monaten auf den überforderten Intensivstationen viele Leben retten.