Coronavirus: Impfen oder nicht – das ist jetzt die Frage

Jochen Tempelmann
Jochen Tempelmann

Bern,

Die Rückkehr zur Normalität kommt erst, wenn die Bevölkerung immun gegen das Coronavirus ist. Doch viele wollen sich nicht impfen lassen – eine Analyse.

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Das ist er: der Impfstoff von Pfizer. Die ersten Impfstoffe gegen das Coronavirus haben die Zielgerade erreicht. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Mit einem Impfstoff rückt die Herdenimmunität in greifbare Nähe.
  • Damit deutet sich der bisher einzige Ausweg aus der anhaltenden Krise ab.
  • Doch die Skepsis gegenüber Impfstoffen würde die Herdenimmunität derzeit verhindern.
  • Laut Bundesrat Berset ist in der Schweiz keine Impfpflicht vorgesehen.

Seit acht Monaten grassiert das Coronavirus. Zwischenmenschliche Kontakte sind auf ein Minimum reduziert, ebenso wie kulturelle Anlässe. Die Wirtschaft leidet unter den Einschränkungen. Alle wünschen sich, dass die Pandemie und all ihre negativen Konsequenzen bald ein Ende haben.

Und es gibt gute Neuigkeiten: Vorsichtig deutet sich ein Ausweg aus der Krise an – die Impfstoff-Projekte machen grosse Fortschritte.

Werden Sie sich gegen Corona impfen lassen?

Doch Impfstoffe helfen nur dann, wenn sich die Menschen impfen lassen wollen. Und das sind bisher nur wenige.

Knackpunkt Herdenimmunität

Corona wird nicht einfach verschwinden. Anders als beispielsweise Ebola lässt sich das Coronavirus nicht durch die Verbesserung der hygienischen Umstände komplett beseitigen. Lediglich einigen isolierten Inselstaaten wie Neuseeland gelang es, das Virus komplett auszurotten. In der gut vernetzten Schweiz im Herzen Europas dürfte das jedoch ein aussichtsloses Unterfangen sein.

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Ein Infizierter kann Hunderte Menschen infizieren, solange die Übertragungsketten nicht durchbrochen werden können. Die Herdenimmunität bewirkt ebendies. (Street Parade, Archivbild) - Keystone

Als Lösung bleibt nur der Schutz durch Immunität – Epidemiologen verwenden präziser den Begriff Herdenimmunität: Jede immunisierte Person stellt eine natürliche Barriere für das Virus dar. Ist eine überwiegende Mehrheit immunisiert, sind so viele Barrieren vorhanden, damit sich das Virus nicht mehr unkontrolliert ausbreiten kann. Vergleiche mit anderen Infektionskrankheiten legen nahe, dass hierfür 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung immun sein müssen.

Coronavirus: Zwei Wege zur Herdenimmunität

Grundsätzlich führen zwei Wege zur Herdenimmunität. Weg eins läuft über Infektionen: Wer sich mit dem Coronavirus infiziert, wird zur Seuchenbarriere.

Dieser Weg wurde bisher mehr oder weniger unfreiwillig eingeschlagen. Das hat das Gesundheitssystem bereits zweimal an den Rand des Kollapses gebracht. Doch selbst dann, wenn man grosszügige Dunkelziffern einberechnet, dürften sich erst rund 10 Prozent der Bevölkerung immunisiert haben. Wenn es so weitergeht, braucht es noch viele Wellen, ehe das Coronavirus eingedämmt werden kann.

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Die Intensivstationen sind voll – bereits zum zweiten Mal ist das Gesundheitssystem am Anschlag. Von der Herdenimmunität sind wir dennoch weit entfernt. - Keystone

Doch es gibt einen zweiten Weg. Die Infektion ist nicht der einzige zur Immunisierung – der alternative Weg kommt in Form der Impfung. Könnten weitere 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft werden, hätten wir den für die Herdenimmunität notwendigen Immunisierungsgrad erreicht.

Doch zu wenige wollen sich impfen lassen.

Die grosse Frage: Impfen oder nicht?

Eine Nau.ch-Strassenumfrage zeigt, wie gespalten die Schweiz in der Impfungsfrage ist. Im September ermittelte das Institut Leewas die Meinung der Schweizer zur Corona-Impfung: 54 Prozent der Bevölkerung konnte sich vorstellen, sich impfen zu lassen. 41 Prozent lehnten eine Impfung ab.

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Würde sich die Bevölkerung gegen das Coronavirus impfen lassen? Nau.ch macht die Strassenumfrage. - Nau.ch

Selbst wenn wir bereits einen Impfstoff hätten, wäre das Projekt Herdenimmunität damit aktuell gescheitert. Doch wie viel spricht gegen die Impfung?

Die Skeptiker führen zahllose Argumente ins Feld: Sie stellen die Wirksamkeit infrage und warnen vor nicht deklarierten Nebenwirkungen.

Doch die Statistiken der Zweifler halten einer Überprüfung nach wissenschaftlichen Standards nicht stand. Keine Studie, welche von der Wissenschaft anerkannt wurde, konnte beispielsweise den oft angeführten Zusammenhang mit Autismus belegen.

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Immer weniger Menschen befürworten Impfungen. Dabei gibt es keine neuen Erkenntnisse aus der Wissenschaft, dass Impfen schaden würde. - Keystone

Auch bei den neuen Impfstoffen gegen das Coronavirus sind wenig Schäden zu erwarten: Einerseits basieren viele Impfstoffe auf jahrzehntelang erprobten Mechanismen. Andererseits testen die Pharmaunternehmen in Phase III der klinischen Studien Zehntausende, um Gesundheitsrisiken ausschliessen zu können.

Alles nur «Big-Pharma»-Geldmacherei?

Wenn Roche-Präsident Christoph Franz eine Impfpflicht fordert, dann ist das gewiss nicht uneigennützig: An den Impfstoff gegen das Coronavirus ist ein Milliardengeschäft gekoppelt, das steht ausser Frage. Dass die Pharmaunternehmen profitorientiert handeln, ebenfalls.

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Die Hochhäuser der Pharmabranche prägen das Basler Stadtbild. Pharmazeutik ist ein Milliardengeschäft, dem wir uns nicht entziehen können. - Keystone

Impfpflicht in der Schweiz nicht vorgesehen

Entweder wir erreichen bald die Herdenimmunität, oder wir leben für lange Zeit mit dem Virus und den damit verbundenen Einschränkungen. Je länger wir mit den Einschränkungen leben müssen, desto schlimmer werden die Auswirkungen auf unsere psychische und wirtschaftliche Verfassung.

Die unbeliebte Alternative hat der Roche-Chef bereits präsentiert: Es gibt vieles, was gegen eine Impfpflicht spricht.

Es wäre schliesslich ein noch deutlich dramatischerer Eingriff in unsere Freiheit als die Maskenpflicht. Doch wenn sich an der Befürwortung einer Impfung nichts ändert, bleibt es womöglich der letzte Ausweg aus der Krise.

Gesundheitsminister Alain Berset hat sich diesbezüglich klar geäussert. Eine Impfpflicht sei in der Schweiz nicht vorgesehen.

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