Coronavirus: Kommt es jetzt zum «Corona-Shaming»?
Das Coronavirus scheint vielen langsam auf den Leim zu gehen. Wer erkrankt, muss sich Anschuldigungen anhören. Aber woher kommt dieses plötzliche Unverständnis?
Das Wichtigste in Kürze
- Mitleid und Verständnis für Corona-Infektionen schwindet immer mehr.
- Auch Bundesrat Berset sorgte sich in einem Interview über angespannte Nerven.
- Ein Arzt vermutet, das liege an den milden Krankheitsverläufen.
Seit rund einem halben Jahr grassiert das Coronavirus in der Schweiz. Nach einem Lockdown kam das normale Leben beinahe zurück - aber nur beinahe. Immer noch müssen wir als Gesellschaft lernen mit dem Virus zu leben und Massnahmen wie die Maskenpflicht umzusetzen.
Wo noch zu Beginn der Pandemie Mitleid und Verständnis für Infizierte an den Tag gelegt wurde, wird nun Unmut gehegt. Oder so scheint es zumindest. Denn auch in den sozialen Medien fallen immer wieder Kommentare, die auf eine Art «Corona-Shaming» hinweisen.
Stop #Coronashaming #StayHomeStaySafe #karanmehra #nisharawalmehra #karnish @realkaranmehra @nisharawal @aj_mehra53 pic.twitter.com/njN1TvxU5J
— Karvishfan (support karan mehra ) (@karanmehra_fan) March 27, 2020
Das fiel zu Beginn des achten Monats auch Gesundheitsminister und Bundesrat Alain Berset auf. Noch im März und April habe es auf dem Höhepunkt der Krise eine Phase der Einigkeit gegeben. Das sagte Berset in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag».
Der Zusammenhalt sei eindrücklich gewesen, doch danach hätten die Debatten wieder eingesetzt. Jetzt aber spüre man, dass die Nerven angespannt seien. Es brauche weniger, bis sich die Leute aufregten. Woran liegt die plötzliche Wende in unserer Befindlichkeit?
Ist man an Infektion mit Coronavirus selber schuld?
Josef Widler, Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft, erkennt ebenfalls einen Trend zur Corona-Müdigkeit. Denn: «Heute können Risikosituationen identifiziert werden. Der grosse Schrecken hat sich ziemlich gelegt, die Todesfälle werden rar. Der Anteil der Infizierten, die schwer erkranken ist relativ klein.»
Nicht nur könne man Infektionsherde und Risikosituationen nun besser einschätzen, auch wisse man immer besser, wie man sich schützen kann. «Wer sich ungeschützt über längere Zeit in Räumen mit vielen Leuten aufhält, nimmt ein grosses Risiko auf sich.»
Be Kind,
— FICCI FLO Pune (@FLOPune) July 16, 2020
Don't get Corona Blind!
These are the times when we need to keep our distance physically, but don't confuse it with any discrimination.
Share & ask for help when needed and reach out to those in need.
Say no to #CORONAShaming🚫#ficci #ficciflo #ficciflopune #flopune pic.twitter.com/S8K4mWo4KP
Je mehr unbekannte Leute im Raum sind, je lauter, je schlechter gelüftet - desto höher ist das Ansteckungsrisiko. «Wer sich also an die Abstandsregeln hält und die Hygienemassnahmen konsequent anwendet, senkt sein Infektionsrisiko markant.» Auch, dass sich derzeit vor allem die jüngere Generation mit dem Coronavirus ansteckt trage nicht unbedingt zum Verständnis bei.
Massnahmen werden nicht verstanden
Schwere Krankheitsverläufe werden immer seltener, die Massnahmen immer strenger. Besonders die milden Krankheitsverläufe schüren Unmut. «Die von den Behörden geschürte Angst vor einer zweiten Welle und den damit verbundenen neuen Massnahmen werden deshalb immer weniger verstanden.»
Widler vermutet: «Die grosse Angst legt sich offenbar langsam es ist aber zu hoffen, dass der Respekt vor der Krankheit erhalten bleibt.» Denn das Coronavirus ist weiterhin eine neue Krankheit, über die man noch nicht genug wisse.
Ob es effektiv dazu kommen wird, dass Corona-Infizierte auf Missgunst in der Gesellschaft treffen werden, sei schwierig zu sagen. «Falls häufig Superspreader identifiziert und öffentlich angeprangert werden, wird die Gefahr eines Corona-Shamings erhöht.»