Coronavirus: Openair-Veranstalter bremsen Festival-Euphorie
Konzert-Bilder aus Tel Aviv sowie ein dickes Finanzpaket geben Hoffnung für den Schweizer Festivalsommer. Die Openair-Veranstalter bleiben aber zurückhaltend.
Das Wichtigste in Kürze
- Konzerte feiern in Europa zurzeit ein vorsichtiges Comeback.
- In der Schweiz sei man davon noch weit entfernt, sagen die Veranstalter.
- Sie verlangen noch im März Klarheit vom Bund.
In Zeiten von Livestream-Konzerten wegen des Coronavirus lässt eine Schlagzeile vom Wochenende die Festival-Fans in der Schweiz aufhorchen. In Israel feierten rund 500 Besitzer des «Grünen Passes» den Pop-Sänger Ivri Lider (47) an einem Live-Konzert.
Dieses «Culture-Comeback» wird weltweit gefeiert – und nachgeahmt. In Barcelona ist ein Grosskonzert der Indie-Band Love of Lesbian mit gar 5000 Zuschauern für Ende März geplant. Das aufwendige Schutzkonzept umfasst einen Schnelltest, Körpertemperatur-Messungen, Maskenpflicht, Zonenbeschränkungen sowie den Download einer Tracking-App.
In Amsterdam tanzten gleichzeitig am Samstag 1300 Raver im Namen der Wissenschaft. Mit dem Experiment soll die Verbreitung des Coronavirus an Konzerten nachvollzogen werden können. Zugelassen war aber nur, wer einen negativen Test auf das Coronavirus vorweisen konnte.
Wegen Coronavirus: Greenfield springt bereits ab
Das schürt trotz Coronavirus Hoffnung für den Schweizer Festival-Sommer 2021. Doch nun hat das erste grosse Openair bereits abgesagt.
Wegen der fehlenden Planungssicherheit haben die Veranstalter des Greenfield-Festivals beschlossen, das Openair auf Juni 2022 zu verschieben. Das Greenfield Festival ist jeweils eines der frühsten im Openair-Kalender.
Auch grosse Festivals in Deutschland wie das «Rock am Ring» und das «Southside» wurden heute abgesagt.
Diese Entscheidung kommt, obwohl der Nationalrat am Montagabend einen grossen Schritt auf die Schweizer Veranstalter zugemacht hat. Mit deutlichen 132 zu 55 Stimmen sagte er Ja zu einer Ausfallentschädigung von 350 Millionen zu. Organisatoren sollen entschädigt werden, wenn ein Grossevent abgesagt, eingeschränkt oder verschoben wird.
Ist der Schweizer Festival-Sommer also doch gerettet? Die Veranstalter bleiben sehr zurückhaltend. «Antwort auf Ihre Frage in einem Satz: Wir sind keinen Schritt weiter als vor einem Monat», sagt Joachim Bodmer vom Openair Frauenfeld gegenüber Nau.ch.
Niemand plant für die Tonne
Auch Bodmer pocht auf Planungssicherheit. Diese sei viel wichtiger als eine Ausfallentschädigung. «Wir brauchen konkrete und verbindliche Ansagen der Behörden um das Festival zu planen oder dann juristische korrekt absagen zu können.» Vage und unverbindliche Aussagen in euphorischen Medienberichte würden dagegen wenig nützen.
Man hätte seit Monaten mehrfach versucht, Bundesrat und BAG zu einer Stellungnahme bezüglich Grossveranstaltungen zu bewegen, aber bisher erfolglos. Jetzt laufe die Zeit davon. «Schaffen die Behörden nicht umgehend Klarheit, werden Grossveranstaltungen im Sommer 2021 schon alleine mangels fehlender Vorlaufzeit nicht mehr möglich sein.»
Gleich klingt es bei Pascal Frei vom Openair St.Gallen. Der Bund müsse noch im März Klarheit über Öffnungsschritte und Vorgaben für Grossveranstaltungen für den Sommer liefern, verlangt er.
Zwar biete der Schutzschirm eine «eminent wichtige Perspektive» für die gesamte Veranstaltungsbranche und die Kultur. «Für das Openair St.Gallen ändert sich an der aktuellen Ausgangslage dadurch allerdings konkret nicht viel. Da wir nach wie vor auf klare Aussagen des Bundesrates angewiesen sind, ob und in welchem Rahmen Grossveranstaltungen stattfinden können.»
Openair St.Gallen und Gurten drängen auf Entscheide der Behörden
Die Testkonzerte in Barcelona und den Niederlanden seien zwar wichtige Signale im Hinblick auf eine Öffnung. Doch auf die aktuelle Situation des Openairs St.Gallen hätten sie «keinen Einfluss».
Auch die konkrete Frage nach dem Schutzkonzept stellt sich für das Openair St.Gallen noch nicht. Eine Kombination aus Schnelltests und Teilen des Publikums könnte durchaus der Schlüssel für eine Öffnung sein, glaubt Frei. Aber: «Das hängt von den Entscheiden der Behörden ab.»
Auch das Berner Gurtenfestival hofft weiterhin auf verbindliche Zusagen des Bundes. «Wir müssen idealerweise im Verlauf des Monats März wissen, ob respektive wie ein Festivalsommer 2021 aussehen könnte.» So heisst es seitens der Veranstalter. Falls Anlässe erlaubt und bewilligt würden, stelle sich die grosse Frage: Unter welchen Bedingungen?
«Täglich 20’000 Menschen innert ein paar wenigen Stunden zu testen, dies während vier Tagen? Das ist mit den heutigen Tests und Kapazitäten logistisch und finanziell für uns nicht möglich», so die Ansage des Gurtenfestivals.