Coronavirus: Wie gross ist Gefahr einer Reinfektion?

Jochen Tempelmann
Jochen Tempelmann

Bern,

Immer wieder wird von Personen berichtet, die sich zweimal mit dem Coronavirus infizieren. Doch wie häufig und wie gefährlich sind diese Reinfektionen?

Coronavirus Reinfektion Wiederinfektion
Ein Patient mit Coronavirus in Behandlung. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Wissenschafter haben einen neuen Fall einer wiederholten Corona-Infektion entdeckt.
  • Fälle solcher Reinfektionen könnten häufiger sein als gedacht, bestätigt ein Infektiologe.
  • Nach einer Infektion ist keine vollständige Immunität vorhanden.

Diese Woche sorgte eine Studie des Fachmagazins «The Lancet» für Aufregung: Wissenschafter berichteten von einem 25-jährigen US-Amerikaner, der sich Mitte April mit dem Coronavirus infizierte. Nachdem danach zwei Tests negativ ausgefallen waren, infizierte er sich Anfang Juni erneut. Dabei waren die Symptome bei der zweiten Infektion deutlich schwerer.

Weltweit sind die definitiv bestätigten Fälle erneuter Coronavirus-Infektionen – sogenannter Reinfektionen – selten: Sie befinden sich im einstelligen Bereich. Doch die Fälle sind schwer nachweisbar. Wie oft treten sie tatsächlich auf, und wie gefährlich sind sie?

Infektiologe: «Reinfektionen wahrscheinlich nicht so selten»

Hansjakob Furrer, Chefarzt und Klinikdirektor der Infektiologie am Berner Inselspital, erklärt auf Anfrage: Reinfektionen könnten deutlich häufiger sein, als es die wissenschaftlichen Daten suggerieren. «Wahrscheinlich ist dies nicht so selten.» Man wisse von anderen Coronaviren, dass Wiederinfektionen vorkommen können.

Coronavirus Interview Hansjakob Furrer
Hansjakob Furrer ist Chefarzt und Direktor der Universitätsklinik für Infektiologie am Berner Inselspital. - zVg

«Der Nachweis, dass es sich um eine Wiederinfektion handelt, ist aufwändig», erklärt Furrer die niedrige Zahl der bestätigten Reinfektionen. Bei Personen, die sich in kurzem Abstand erneut infizieren, geschieht dies durch einen anderen Virenstamm. Um zu bestätigen, dass es sich nicht noch um die gleiche verschleppte Infektion handelt, müsse das Viren-Genom analysiert werden.

Verdachtsfälle von Reinfektionen gab es auch schon in der Schweiz – dies bestätigte das BAG diese Woche gegenüber Nau.ch.

Ob Personen, die zweimal positiv getestet wurden, sich tatsächlich zweimal unabhängig infiziert haben, sei jedoch schwer zu bestätigen: In den meisten Fällen wurden die Personen zwischen den Infektionen nicht negativ getestet. Damit wurde der Beweis, dass es sich um eine Reinfektion handelt, in der Schweiz noch nicht erbracht.

Keine Immunität nach Infektion mit dem Coronavirus?

Nach einer Infektion bilden sich Antikörper, welche den Organismus vor Infektionen der gleichen Art schützen. Wie lange der Schutz anhält, lässt sich jedoch nicht genau beurteilen. «Dies wird individuell sehr unterschiedlich sein, weil jeder Mensch individuell auf eine Infektion reagiert. Wiederinfektionen mit Krankheitszeichen können schon innerhalb von zwei Monaten nach Erstinfektion auftreten.»

Coronavirus Zweimal Wiederinfektion Reinfektion
Ein Mitarbeiter des Zürcher Unternehmens «Molecular Partners» bei der Forschung. - Keystone

Oft verlaufe eine zweite Infektion harmloser – es gibt jedoch Fälle, in denen die zweite Infektion schwerer verläuft. Auch wenn die Fälle nicht besonders häufig scheinen, sind sie Anlass zur Sorge: Wer sich mit dem Coronavirus infiziert, scheint keine vollständige Immunität zu besitzen. «Wir können nicht davon ausgehen, dass eine durchgemachte Infektion allen Menschen einen langanhaltenden Schutz gibt», so Furrer.

Kann ein Impfstoff gegen alle Virenstämme schützen?

Das Problem liegt dabei vor allem in den verschiedenen Virenstämmen: Das Coronavirus mutiert nämlich fortwährend auf natürliche Weise. «Es setzen sich Virenstämme durch, die etwas leichter übertragen werden. Es fehlen noch gute Daten, ob diese gefährlicher oder harmloser sind», kommentiert Furrer die Erkenntnisse der Wissenschaft.

Coronavirus zweimal Reinfektion
Mitarbeiter beim Aufbau der Maschinen für die Produktion des Moderna-Impfstoffes gegen das Coronavirus bei Lonza in Visp. - Keystone

Das hat Konsequenzen – nicht nur für die Immunität nach überstandener Infektion, sondern auch für die Wirksamkeit von Impfstoffen. Deren Wirksamkeit müsse in den laufenden Impfstoff-Studien sorgfältig angeschaut werden. «Die Möglichkeit eines inkompletten Impfschutzes besteht.»

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