Coronavirus: Wird «Long Covid» auch bei Kindern zum Problem?
Ein Jahr nach Ausbruch des Coronavirus häufen sich die Fälle von «Long Covid»-Patienten. Sind nun vermehrt auch Kinder betroffen?
Das Wichtigste in Kürze
- Viele Corona-Infizierte leiden auch Monate nach der Infektion an Spätfolgen.
- Bis dato sind Daten zu «Long Covid» bei Kindern nur spärlich vorhanden.
- Christoph Berger vom Universitäts-Kinderspital Zürich klärt auf.
Neun von zehn Patienten erholen sich nach einer Infektion mit dem Coronavirus. Einer von diesen zehn Patienten leidet jedoch auch zwölf Wochen nach der Erkrankung an Spätfolgen. Die Betroffenen gaben der Krankheit den Namen «Long Covid» oder «Post-Covid-Syndrom».
Obwohl die langfristigen Folgen des Coronavirus noch weitgehend unklar sind, erschrecken die neuesten Zahlen. Die bisher grösste Studie stammt aus China und wurde im Januar 2021 im Wissenschaftsmagazin «The Lancet» publiziert.
Viele ehemalige Patienten leiden unter Long Covid
Sechs Monate nach der Spitalentlassung in Wuhan litten von den 1733 Patienten noch drei Viertel an mindestens einem Symptom. Darunter aufgeführt waren vor allem Müdigkeit oder Muskelschwäche, Schlafstörungen und Angstzustände oder Depressionen.
Experten wie der deutsche Gesundheitsexperte und Karl Lauterbach schlagen deshalb Alarm. Der SPD-Bundestagsabgeordnete warnt etwa davor, dass die Langzeitfolgen dramatisch unterschätzt würden.
Fehlende Daten zu Spätfolgen des Coronavirus bei Kindern
Im Gegensatz zu den Erwachsenen sind Daten zu den Corona-Spätfolgen bei Kindern bisher nur spärlich vorhanden. Der schwedische Epidemiologe und Kinderarzt Jonas F. Ludvigsson forscht zum Thema.
Er veröffentlichte bei «Acta Paediatrica» im November 2020 einen Fallbericht zu fünf Fällen. Dabei handelte es sich um Kinder im Alter von 9 bis 15 Jahren, die während mindestens sechs Monaten Symptome hatten.
Vier der fünf Kinder hatten keine Vorerkrankungen. Die Betroffenen litten vor allem an Müdigkeit und Atemnot, aber auch Gelenkschmerzen und Schmerzen in der Brust waren häufig.
Die Symptome sind also ähnlich wie bei den erwachsenen «Long Covid»-Patienten. Zu beachten ist, dass alle Daten auf den Berichten der Eltern der Kinder basieren. Und: Der Kinderarzt wurde seit der Veröffentlichung von Eltern von weiteren 35 schwedischen Kindern mit ähnlichen Langzeitsymptomen kontaktiert.
Eine Erforschung der Thematik sei, wichtig, so der Forscher. Jonas F. Ludvigsson ist überzeugt, dass erste Berichte dabei helfen würden, ein «breiteres globales Bild zu erstellen».
«Long Covid» auch bei mildem Verlauf
Eine breiter ausgelegte Studie aus Italien unter Danilo Buonsenso bestätigt die Erkenntnisse von Ludvigsson. Die Forscher befragten 129 Kinder zwischen 5 und 18 Jahren, die sich mit Corona angesteckt hatten. 96 der Kinder wiesen während der Infektion mit dem Coronavirus Symptome auf, 33 Kinder waren symptomfrei.
Über 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen hatten auch 120 Tage nach der Diagnose mindestens ein Symptom. Das Brisante: Obwohl die Symptome häufiger bei symptomatischen oder hospitalisierten Kindern auftraten, wurden sie auch bei Personen mit mildem Verlauf registriert.
Doch wie sieht die Situation bei «Long Covid»-Fällen in der Schweiz aus?
«In der Schweiz ist das ‹Long Covid›-Syndrom bei Kindern angesprochen worden, aber bisher kein Thema.» Das stellt Christoph Berger, Leiter Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene am Universitäts-Kinderspital Zürich, klar. Er wisse von keinem Kind, bei dem ein Kinderarzt das Syndrom diagnostiziert habe.
Christoph Berger entwarnt
«Grundsätzlich ist es schwierig, Daten zu ‹Long Covid›-Fällen bei Kindern zu erfassen.» Das sei auch kein Zufall, denn coronapositive Kinder würden nur sehr selten krank, so Berger weiter. Ausserdem seien die Symptome sehr unterschiedlich und bei Kindern noch nicht klar beschrieben und definiert.
Ein anderes Syndrom, das hingegen bei Kindern immer wieder auftrete, sei das Pims-Syndrom. Berger selbst stellt es nur etwa bei einem von 1000 Kindern fest.
Beim Pädiatrischen Inflammatorischen Multisystem-Syndrom als Folge einer Corona-Infektion kommt es zu einer Überreaktion des Immunsystems. Die Kinder leiden an hohem Fieber, das häufig von Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall und Ausschlägen begleitet wird.
Bisher gebe es in der Schweiz zwischen 60 und 70 Pims-Fälle. Obwohl sich die Fälle in der zweiten Corona-Welle etwas gehäuft hätten, sei die Krankheit immer noch sehr selten, entwarnt Berger.
Kurz: Für den Kinderarzt haben die coronabedingten Einschränkungen grössere Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche als die Infektion selbst.