Coronavirus: Zürcher Jugend wegen Lockdown vermehrt gewaltbereit
Die Gewaltbereitschaft der Zürcher Jugend ist während des Coronavirus gestiegen. Jugendpsychologe Guggenbühl stellt eine Verbindung mit dem Lockdown her.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Zürcher Kreis eins kommt es während der Corona-Pandemie vermehrt zu Jugendgewalt.
- Jugendpsychologe Allan Guggenbühl verbindet die Gewaltbereitschaft mit dem Lockdown.
- Die Jugend wird durch die Massnahmen eingeschränkt, Alternativen gibt es nicht.
Die Fälle von Jugendgewalt im Zürcher Kreis eins häufen sich, vergangenen Samstagabend kam es gleich zu mehreren Vorfällen. So wurde etwa ein 16-Jähriger auf dem Sechseläutenplatz festgenommen.
Schon vor einem Monat kam es beim Bahnhof Stadelhofen vor dem Sechseläutenplatz zu Ausschreitungen unter Jugendlichen. Die Polizei nahm damals 18 Jugendliche vorübergehend fest. Diese hatten zuvor auf dem Platz Passanten angepöbelt. Die Polizisten beschossen sie mit Feuerwerk und bewarfen sie mit Gegenständen.
FürJugendpsychologe Allan Guggenbühl kein Zufall. Für ihn hängt die Gewaltbereitschaft klar mit den Massnahmen wegen des Coronavirus zusammen.
Die Schweiz befindet sich im Lockdown: Bars, Restaurants und Klubs sowie Freizeiteinrichtungen wie Kinos oder Spielhallen sind geschlossen. Gerade für die Jugendlichen ist es kein leichtes Schicksal. Während Erwachsene sich in ihre eigene Wohnung zurückziehen können, sind junge Erwachsene oft auf auswärtige Lösungen angewiesen. Diese wurden ihnen durch den Lockdown genommen.
Lockdown wegen Coronavirus nimmt den Jugendlichen den Raum
«Die Jugendlichen leidet unter den Massnahmen, welche vor allem die älteren Generationen schützen», erklärt Allan Guggenbühl gegenüber Nau.ch. Den Jugendlichen wird jedoch keine Alternative geboten, was für Frustration sorgt. «Es braucht Räume, wo sich die Jungen treffen können, sie sind noch nicht so etabliert wie Erwachsene.»
Während der Krise rund um das Coronavirus gebe es kaum mehr solche Treffpunkte. Entsprechend würden eigene Räume geschaffen. Orte mit guter Erreichbarkeit bieten sich dazu besonders an. Es sei also nicht erstaunlich, dass sich die Jugendlichen beim Bahnhof Stadelhofen oder beim nahegelegenen Sechseläutenplatz versammeln.
Zürcher Seeufer ist beliebter Hotspot
Dass das Zürcher Seeufer ein Hotspot ist, bestätigt auch die Stadtpolizei Zürich. Das sei schon vor der Corona-Krise der Fall gewesen, erklärt Judith Hödl, Mediensprecherin der Stadtpolizei. «Es ist ein Treffpunkt, wo sich viele Gruppen sammeln. Und wo viele Gruppen aufeinandertreffen gibt es ab und an Reibereien.»
Das Seeufer und die Umgebung des Bahnhofs Stadelhofen biete sich da besonders an. Dies, da man mit dem Zug einfach an und abreisen könne. Darum schaue man aktuell besonders hin und zeige Präsenz. «In den meisten Fällen verhalten sich die Gruppen jedoch friedlich und befolgen die Regeln» so Hödl.
Kameras lösen Problem nicht
Die SVP hat als Reaktion auf die steigende Gewaltbereitschaft den Einsatz von Kameras gefordert. Jugendpsychologe Guggenbühl ist von deren Wirkung nicht überzeugt: «Es sind nicht Verbrecher, sondern protestierende Jugendliche. Wenn etwas passiert, ist es meist nicht rational.»
Präsenz brauche es aber dennoch. «Es braucht beispielsweise die Polizei, welche sagen kann: ‹So geht es nicht›. Gleichzeitig darf es aber nicht zur Eskalation kommen.» Bisher habe die Polizei eine gute Arbeit geleistet, die Jugendlichen angesprochen und deeskalierend gehandelt.
Regierung muss Alternativen bieten
Um die Gewaltbereitschaft in Zukunft zu senken, brauche es jedoch mehr als Polizeipräsenz und Überwachung. «Man muss den Jugendlichen Alternativen bieten, kreativ sein, aber genau das vermisse ich», erklärt Guggenbühl.
Restaurants und Sportanlagen sind geschlossen, «aber was machen die Jugendlichen? Sie wollen draussen sein und sich treffen.» Man hätte bereits zu Beginn der Pandemie Alternativen suchen sollen, welche konforme Treffen trotz Coronavirus ermöglichen. «Die Jugendlichen wurden bei den Diskussionen um die Massnahmen aber nicht mit einbezogen.»
Für Massnahmen ist es noch nicht zu spät. «Sollten die Einschränkungen noch länger dauern, muss man sich etwas überlegen», ist Guggenbühl überzeugt. Der Aufwand müsste dabei nicht einmal allzu gross sein. «Aber die Antwort kann nicht nur verbieten sein.»