Darum verdient Bäuerin Gabi nur 18 Fr. pro Stunde

Simon Binz
Simon Binz

Unteres Emmental,

Bäuerin Gabi soll nur 18 Franken pro Stunde verdienen. Wie kommt die Vizepräsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands auf diese Summe?

Bauernverband Lohn
Bäuerin Gabi Schürch legte bei der Neujahrsmedienkonferenz des Schweizer Bauernverbandes ihren Stundenlohn offen. Das sorgte für eine grosse Kontroverse. - Instagram

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Schweizer Bio-Bäuerin hat ihren Lohn offengelegt.
  • Gabi Schürch sagte, dass ihr Mann und sie einen Stundenlohn von 18 Franken haben.
  • Wie kommt diese Rechnung für ein Einkommen von 78'000 Franken pro Jahr zustande?

An der Jahresmedienkonferenz des Bauernverbands legte Gabi Schürch offen, wie viel sie und ihr Mann im Jahr verdienen. Umgerechnet kommen die beiden demnach auf einen Stundenlohn von 18 Franken.

Bauernpräsident Markus Ritter erwähnte dazu: Im schweizweiten Vergleich sei das sehr wenig, liege jedoch leicht über dem Durchschnitt der Familienarbeitskräfte in der Landwirtschaft. Dieser liegt laut einer komplexen Rechnung von Agroscope, einem Forschungszentrum des Bundes, bei 17 Franken.

Sollten die Bauern mehr Direktzahlungen erhalten?

In den Kommentarspalten viele Medien zeigten die meisten Leser aber kaum Verständnis für Bäuerin Gabi und ihre Familie. Sie reagierten eher mit Hohn und Wut, wie die «Tamedia»-Zeitungen schreiben. Der Tenor: Bei den hohen Subventionen für die Landwirtschaft könne es doch gar nicht sein, dass die Bauern so wenig verdienten.

Der Bund schüttete 2023 insgesamt 2,8 Milliarden Franken Direktzahlungen an die Schweizer Bauern aus. Trotzdem warnt Ritter vor dem Ende der Familienbetriebe, wenn die Löhne nicht steigen. Viele wollen dies offenbar kaum glauben und sprechen gar von «falscher Propaganda des Bauernverbandes. Und: Die Bauern seien sowieso «ewige Jammeris», heisst es.

Wie wird der Stundenlohn der Bauern ermittelt?

Agroscope bemühte sich, die Stundenlöhne der Landwirtinnen und Landwirte möglichst mit jenen anderer Branchen vergleichbar zu machen. Das ist nicht ganz einfach: Anders als andere Berufstätige leben Bäuerinnen und Bauern direkt an ihrem Arbeitsplatz, konsumieren Eier, Fleisch und Milch aus eigener Produktion und führen den Haushalt oft nahtlos mit der Hofarbeit zusammen. Hinzu kommen spezielle steuerliche Regelungen.

Für ihre Berechnung nahmen die Forscher vereinfacht gesagt das gesamte Einkommen eines Bauernhofs, einschliesslich der Einnahmen aus Verkäufen und staatlicher Direktzahlungen. Davon wurden sämtliche Ausgaben abgezogen, wie etwa die Löhne für externe Mitarbeitende und Materialkosten. Auch der Wert aller selbstgenutzten Produkte wurde berücksichtigt.

Zudem flossen Vorteile wie die reduzierte Mehrwertsteuer auf Vieh, Futtermittel oder Saatgut sowie die Rückerstattung der Mineralölsteuer beim Kraftstoffkauf in die Berechnungen des landwirtschaftlichen Einkommens ein.

Familie Schürch kommt auf ein Einkommen von knapp 78'000 Franken

Bei der Familie Schürch, die in Kirchberg BE einen Biohof mit 35 Milchkühen führt, bleibt bei einer solchen Betriebsrechnung laut den «Tamedia»-Zeitungen am Schluss ein Einkommen von 78'027 Franken. Diese Zahl ergibt sich aus den Gesamteinnahmen von 291'659 Franken (Direktzahlungen, Verkauf von Produkten, landwirtschaftliche Arbeiten für Dritte und Mietzinseinnahmen) minus den Ausgaben von 213'632 Franken.

Das auf diese Weise ermittelte landwirtschaftliche Einkommen wird durch die Arbeitsstunden der Bäuerinnen und Bauern geteilt, um den Stundenlohn zu berechnen. Ein Schweizer Landwirt arbeitet durchschnittlich mehr als 50 Stunden pro Woche – bei Beat Schürch sind es sogar 60 bis 70 Stunden.

Bauernverband Schürch
Die Konferenz des Bauernverbandes fand auf dem Biohof der Schürchs in Kirchberg BE statt. - Facebook

Der Arbeitstag des Berner Bauern beginnt um 5:45 Uhr mit dem Melken und Misten und endet um 18 Uhr mit dem Beschicken der Biogasanlage und dem Füttern der Tiere. Gabi Schürch schätzt, dass sie etwa 35 Stunden pro Woche auf dem Hof arbeitet. Zusammen gelten sie als 1,4 Arbeitskräfte auf dem Betrieb und kommen so jährlich auf rund 4150 Arbeitsstunden. Daraus entsteht schliesslich der Stundenlohn von etwas über 18 Franken für die Schürchs.

«Besonders viel übrig bleibt nicht»

Für die Bauernfamilie sind die rund 78'000 Franken aber nicht einfach Sackgeld, wie manche Kommentarschreiben vermuten. Gabi Schürch betont, dass sie, «wie alle anderen», mit dem Geld auch ihre Steuern und die Krankenkasse bezahlen müssten: «Jeweils rund 15’000 Franken und 16’000 Franken für die ganze Familie.»

Auch den Eigenmietwert ihres Wohnbereichs müssen die Schürchs versteuern – allerdings liegt dieser für landwirtschaftliches Wohneigentum etwas niedriger als für die übrige Bevölkerung. Entgegen einem weit verbreiteten Irrglauben können sie die Autokosten ebenfalls nur zur Hälfte über den Betrieb abrechnen. Hinzu kommen alle weiteren alltäglichen Ausgaben. «Besonders viel übrig bleibt so nicht», sagt Gabi Schürch.

Bauernverband Schürch
Rund 90 Prozent der Schweizer Bauern haben ein Nebeneinkommen. Gabi Schürch zum Beispiel arbeitet nebenzu als Vizepräsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands - Facebook

Unter anderem aus diesem Grund arbeitet die Bäuerin zusätzlich ausserhalb des eigenen Hofs. Schürch ist Vizepräsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands, was einem Arbeitspensum von etwa 40 Prozent entspricht. Rund 90 Prozent der Schweizer Bauern haben ein Nebeneinkommen, das insgesamt etwa ein Drittel des gesamten bäuerlichen Einkommens ausmacht. Diese ausserbetrieblichen Einkünfte fliessen jedoch nicht in die Lohnberechnungen von Agroscope ein.

Kommentare

User #6063 (nicht angemeldet)

Ihr solltet mal AstroTurfing recherchieren, denn genau das ist hier in den Kommentaren passiert.

User #2044 (nicht angemeldet)

Man kann die Arbeitsstunden künstlich so hoch ansetzen, dass es dann einen tieferen Stundenlohn gibt. Dieses Arbeitsstunden und deren Bewertung sollten mal überprüft werden.

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