Darum weht die Gay-Pride-Flagge an der US-Botschaft in Bern
Am 28. Juni 1969 kam es zu einem Wendepunkt: Erstmals verbündeten sich in den USA LGBTQ-Menschen zu einer Gemeinschaft – und forderten Toleranz.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 28. Juni 1969 kam es in einer Bar an der New Yorker Christopher Street zu einer Razzia.
- Polizisten wollten den Schwulenclub räumen, doch die Gäste wehrten sich.
- In dieser Nacht kam es zu einem Wendepunkt im LGBTQ-Kampf um Toleranz und Anerkennung.
Unter der US-Flagge in Bern flattert ein weiteres Stoff-Rechteck im Wind: Die Regenbogen-Fahne. Wer jetzt an die Friedensflagge der Peace-Bewegung denkt, liegt allerdings falsch. Diese hätte nämlich sieben Streifen. «Die US-Botschaft in Bern hat die Regenbogen-Flagge gehisst, um den LGBTI-Pride-Monat zu feiern, der international im Juni stattfindet», tut die Botschaft auf Anfrage von Nau kund.
Der Buchstabensalat steht für die Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Intersexuell. Die Bewegung setzt sich für Akzeptanz, Zusammengehörigkeit und Respekt von und für Menschen ein, die nicht heterosexuell sind. Dass ihre Flagge gerade jetzt den Weg an den Botschafts-Masten gefunden hat, ist kein Zufall: Der Juni ist Gay Pride Month. Und das kam so:
Homosexualität als Krankheit
Lange Zeit galt Homosexualität als Krankheit. In manchen arabischen Ländern ist das auch heute noch so. In der Schweiz sind homosexuelle Handlungen erst seit 1942 legal. Die Perspektive der Gesellschaft schlug sich auch in der Selbstwahrnehmung vieler homosexueller Menschen nieder: Sie schämten sich.
Doch nach der Mitte des 20. Jahrhunderts begannen die Minderheiten, den Rücken durchzustrecken, sich zu wehren und die Scham mit Stolz zu ersetzen. Ein Wendepunk für den Kampf um Gleichberechtigung und Akzeptanz kam am 28. Juni 1969.
Gay Pride erwacht
In den USA galten homosexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit noch immer als «anstössiges Verhalten» und wurden zur Anzeige gebracht. Wer als homosexuell geoutet wurde, hatte fortan einen schweren Stand.
Regelmässig wurden auch in den Schwulenclubs von New York Razzien durchgeführt. Dabei veröffentlichte die Polizei Namenslisten aller Personen, die sie in den jeweiligen Bars festgenommen hatte. Das sollte abschreckend wirken. Und tat es auch: Um nicht noch weiter aufzufallen, wehrten die Betroffenen sich kaum. Doch dann brachen die frühen Morgenstunden jenes bis heute unvergessenen 28. Juni an – und alles änderte sich.
Christopher Street Day
Am 27. Juni war die Schauspielerin Judy Garland in New York beigesetzt worden. Sie galt als Ikone der Homo-Bewegung. Zahllose Menschen trauerten um die erst 47-jährige. Die Schwulenclubs waren rappelvoll. Das wusste auch die Polizei und machte sich gegen 1.20 Uhr in der Früh auf, im Stonewall Inn eine Razzia durchzuführen. Die Bar an der Ecke 7th Avenue und Christopher Street war für ihr Homo- und Trans-Publikum bekannt.
Die Polizisten marschierten ein – doch statt klein beizugeben, erhoben sich die Barbesucher und wehrten sich erstmals. Die Gewalt schwappte über, andere Viertel solidarisierten sich mit dem Greenwich Village.
Stolz erwacht - bis heute
Gemeinsam leistete die LGBTQ-Community der Polizei ganze fünf Tage Widerstand. Heftige Gewalt und Verletzte auf beiden Seiten waren das Ergebnis. Doch in dieser Nacht war nicht nur Blut geflossen, sondern ein neuer Stolz erwacht.