Das KV muss sich neu erfinden – bleibt aber weiterhin Platzhirsch
Lange war das KV die unangefochten liebste Lehre der Schweizer. Nun aber hat der Kaufmännische Beruf mit Hürden zu kämpfen.
Das Wichtigste in Kürze
- Jahr für Jahr schliessen weniger Lernende eine Lehre im KV-Bereich ab.
- Darum wird das KV einer grossangelegten Reform, Kaufleute 2022 genannt, unterzogen.
- Trotz Hürden bleibt das KV aber die beliebteste Berufslehre in der Schweiz.
Wir Schweizer sind stolz auf unser Duales Bildungssystem. Da machen die einen Matura, die anderen werden Maurerin, Schneider, Gärtnerin oder medizinischer Praxisassistent. Doch keine Lehre ist so gefragt, wie jene der Kaufleute.
Jobs finden wird schwieriger
Doch die Arbeitswelt befindet sich im Wandel, neue Fertigkeiten sind gefragt. Mehrere junge Nau-Leserinnen berichten, man habe ihnen davon abgeraten, eine KV-Lehre zu absolvieren. Zahlen aus dem Kanton Zürich zeigen, dass die Anzahl Abschlüsse im Kaufmännischen Bereich kontinuierlich sinken. Waren es 2014 noch 10’086 Lernende, die in einer öffentlichen oder privaten Berufsschule ihre Kaufmännische Lehre abschlossen, sind es vier Jahre später nur noch 8’847.
Auch die zuständigen Fachpersonen haben erkannt, dass ihre Ausbildung an Attraktivität verliert. «Die Stellensuche nach der Lehre gestaltet sich nicht immer einfach», bestätigt Bruno Müller. Er ist Amtsleiter am St. Galler Bildungsdepartement.
Digitale Berufe beliebter
«Der Trend zur Digitalisierung widerspiegelt sich auch in den Berufsinteressen von Jugendlichen. Informatikberufe werden häufiger als Wunschberufe genannt», weiss auch Bernhard Burger vom Laufbahnzentrum Zürich. Die hohen mathematischen Anforderungen würden dann aber einige abschrecken – und auf das KV ausweichen lassen. Denn die KV-Lehre beinhaltet nicht nur die Ausbildung zur Kauffrau (EFZ), sondern auch die erleichterte Lehre zum Büroassistenten (EBA).
Attraktiv macht das KV also einerseits die bereite der Berufsfelder, andererseits auch die verschiedenen Anforderungsprofile. Das KV sei «immer noch die beliebteste berufliche Grundbildung. Ein neuer Platzhirsch ist noch nicht in Sicht», so Burger.
KV Reform 2022
Damit das auch in Zukunft so bleibt, steht der KV-Ausbildung die grösste Reform in ihrer Geschichte bevor. Hinter dem Namen «Kaufleute 2022» steckt ein Umbauplan sondergleichen. «Neue Kompetenzen, die in der Arbeitswelt gefragt sind, werden aufgenommen», so Stefanie Christ. Sie ist Sprecherin bei der Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern.
«Generell sollen die Jugendlichen so ausgebildet werden, dass sie in den vielfältigen Dienstleistungsbranchen, die das KV abdeckt, in Zukunft flexibler eingesetzt werden können.» Für die Lernenden wird das auch lange nach dem Abschluss bedeuten, «sich dauernd weiterzubilden und weiterzuentwickeln, um agil zu bleiben», so Christ. Seit knapp zwei Jahren wird die Neustrukturierung der Berufsschule in einzelnen Test-Klassen bereits geprobt.
Perspektiven für die KV-Ausbildung
Wie die Reform sich schliesslich auf die Lehre und die Berufschancen danach auswirken, findet Laufbahnberater Burger schwer einschätzbar. Für ihn steht aber fest: «Um die cleveren Digital Natives mit guten schulischen Voraussetzungen, welche Kaufmann und Kauffrau als Beruf wählen, mache ich mir kaum Sorgen. Sie haben das Zeug, den Wandel des Berufsbildes proaktiv anzugehen.»
Sorgen machen ihm «eher Jugendliche, bei denen das Potential für Höherqualifizierung zu gering ist und die sich nach einem Einstieg über BüroassistentIn EBA nicht wirklich im Berufsfeld Wirtschaft oder Verwaltung behaupten können.»
Müller dagegen zeigt sich optimistisch: «Der Einbezug von Themen wie neue Medien und Digitalisierung dürften die Chancen, nach der Lehre einen spannenden, zukunftsgerichteten Job zu finden wieder steigen.»