Die Kritik an illegalen Demonstrationen zu Corona-Zeiten wächst
Das Wichtigste in Kürze
- Zuletzt gab es immer wieder Demonstrationen mit über 300 Teilnehmern.
- Dafür gibt es von verschiedenen politischen Parteien angesichts der Corona-Krise Kritik.
In den letzten Wochen kamen schweizweit Tausende Menschen an teilweise unbewilligten Demonstrationen zusammen. Trotz des Versammlungsverbots von mehr als 300 Personen wegen der Corona-Pandemie. Dies sorgt bei vielen für Unverständnis.
Warum dürfen Tausende Menschen ungehindert die Abstand- und Hygieneregeln missachten? Das fragt sich die FDP in einer Mitteilung vom Dienstag. Geschäfte und Restaurants müssen sich immer noch mit grossem Aufwand penibel genau daran halten. Bei Verstössen drohen Bussen.
SVP will grünes Licht für sämtliche Veranstaltungen
Die FDP fordert deshalb, dass Bundesrat Alain Berset Klarheit schafft, wie «er geltendes Recht für alle durchsetzen will. Oder wie er die aufwändigen Einschränkungen für Unternehmen, Veranstaltungen und Konsumenten abschaffen will.» Die FDP kündigte dazu eine Interpellation in beiden Räten an.
Die SVP kritisierte den momentanen Zustand an einer kurzfristig einberufenen Medienkonferenz in Bern. Durch das noch immer geltende Verbot von Veranstaltungen mit über 300 Teilnehmenden stünden tausende Betriebe vor dem Ruin. Auch die SVP fordert den Bundesrat daher auf, diese Ungleichbehandlung sofort zu beenden. Zudem müssen per sofort wieder sämtliche Veranstaltungen, auch solche mit über 300 Teilnehmenden, erlaubt sein.
Laut SVP sind zudem die Organisatoren sowie die betroffenen kantonalen und städtischen Behörden zur Rechenschaft zu ziehen. Dies, sollten sich aufgrund der tolerierten Demonstrationen die Infektionszahlen wieder erhöhen.
Für die CVP muss der Bundesrat das Vertrauen des Volks wieder herstellen, indem Massnahmen kohärent entschieden und umgesetzt werden. Das teilte die Partei per Twitter mit.
Grenze von 300 Teilnehmenden schwer zu kontrollieren
Auch der Verein grundrechte.ch fordert vom Bundesrat und den Kantonen, dass das Recht auf freie Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit wieder hergestellt wird. Die Bewilligungspraxis müsse in allen Kantonen willkürfrei und rechtsgleich sein, schreibt der Verein in einer Mitteilung.
Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) hält in ihren Empfehlungen zum Umgang mit Kundgebungen von Anfang Juni fest: Die Behörden müssen die Bewilligung verweigern, wenn aufgrund des Gesuchs die Einhaltung der Beschränkung nicht plausibel ist. Diese steht aktuell bei 300 Teilnehmenden.
Der Vorstand der KKJPD erachtet es jedoch als ausgesprochen schwierig, die konkrete Wahrscheinlichkeit einer «dynamischen Entwicklung» abzuschätzen. Bei einer Kundgebung sei das im Zeitpunkt der Bewilligungserteilung kaum möglich.
Er empfiehlt den Bewilligungsbehörden deshalb die Anwendung mehrerer Kriterien bei der Beurteilung von Kundgebungsgesuchen: Im Vordergrund der Beurteilung steht die Einschätzung der zu erwartenden Teilnehmerzahl. «Es können keine Kundgebungen bewilligt werden, wenn nicht plausibel ist, dass die Beschränkung auf 300 Teilnehmende eingehalten wird», heisst es.
Verantwortung bleibt bei den Einsatzkräften
Im Zweifelsfall seien die Vorteile einer Kundgebung mit verantwortlicher Person und Schutzkonzept gegen das Risiko eines unbewilligten Demonstrierens abzuwägen.
Wo die Distanzregeln nicht eingehalten werden können, seien Alternativen zur Eindämmung des Übertragungsrisikos aufzuzeigen. Zudem müsse ein Schutzkonzept vorgelegt werden.
Das geforderte Schutzkonzept müsse zwar Bestandteil der Bewilligung einer Kundgebung gemäss den kantonalen oder kommunalen Bestimmungen sein. Dessen Nichteinhaltung ziehe aber nicht zwingend eine polizeiliche Intervention nach sich.
Grundsätzlich bleibe es Verantwortung der Einsatzkräfte, «ob und wie sie in einer konkreten Situation in Abwägung der Rechtsgüter intervenieren». Ob bei einer Kundgebung mit über 300 Personen eingeschritten werde, müsse von Fall zu Fall beurteilt werden. Man könne dies nicht aufgrund starrer Kriterien entscheiden.
Auflösung der Demonstrationen wäre kontraproduktiv
Die Polizei werde sich dabei an allgemeinen Grundsätzen des Polizeirechts orientieren, insbesondere am Störer- und am Verhältnismässigkeitsprinzip.
Stefan Blättler ist der Präsident der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten. Er wies im «Blick» die Kritik bezüglich der Einsätze bei den jüngsten Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeiwillkür zurück.
«Die Corona-Regeln gelten weiterhin. Aber wenn wir die Demonstration aufgelöst hätten, wären die Leute noch dichter zusammen gedrängt worden. Damit hätte man das Gegenteil der Regeln erreicht.»
Das Ziel der Coronavirus-Verordnung sei es, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, sagte der Beamte weiter. «Bei einer Auflösung der Demo hätte es Ausschreitungen geben können, möglicherweise mit Verletzten.»