Wenn möglich, nicht anhalten: So lernt man als Autofahrer das Verhalten am Fussgängerstreifen. Derweil sollen die Kinder aber erst laufen, wenn das Rad steht.
Fussgänger
Fussgänger haben beim Fussgängerstreifen Vortritt. Allerdings sollten sich Autofahrer je nach Person unterschiedlich verhalten. (Symbolbild) - Kapo SG

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Autofahrer wollte ein Kind über die Strasse lassen – hielt aber nicht ganz an.
  • In der Fahrschule lernte er nämlich, dass man lieber verzögern soll, statt stillzustehen.
  • Allerdings ist das bei Kindern anders, erklären Fahrlehrer und BFU.
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Massimo C.* erlebte kürzlich an einem Fussgängerstreifen folgende Situation: Er sieht, dass ein Kind die Strasse überqueren will, und bremst entsprechend frühzeitig ab. «Das Kind hätte locker Zeit gehabt, drüberzulaufen, und ich hätte, ohne ganz anzuhalten, weiterfahren können», sagt er.

Allerdings wartet das Kind – bis Massimo mit dem Auto schliesslich ganz stillsteht. Dann erst läuft es über die Strasse.

Verzögern oder ganz anhalten? Autofahrer haben am Fussgängerstreifen mehrere Möglichkeiten.
Fussgänger
Bei Kindern sollte das Auto komplett stillstehen.
Fussgänger
Bei Erwachsenen lohnt sich dagegen oft ein frühzeitiges Abbremsen – auch für die Umwelt.

Massimo erzählt: «Da erinnerte ich mich daran, dass man in der Schule lernt, erst bei stillstehenden Rädern zu gehen.» Darauf zielt beispielsweise die bekannte «Rad steht, Kind geht»-Kampagne ab.

Ganz im Gegensatz zur Fahrschule, wie Massimo berichtet: «Da hat mir der Lehrer immer eingetrichtert, dass ich möglichst früh verzögern soll, um nicht anhalten zu müssen.»

Er frage sich deshalb, ob man da nicht zwei unterschiedliche Dinge lernt, die sich gegenseitig widersprechen.

Kinder können fahrende Autos nicht gut einschätzen

Die Antwort: Das kann der Fall sein, muss aber nicht.

Denn wie Präsident Michael Gehrken vom Schweizer Fahrlehrerverband «L-drive» gegenüber Nau.ch erklärt, wird die Situation am Fussgängerstreifen je nach Person, die darüberlaufen will, unterschiedlich betrachtet: «Gelehrt wird, dass frühzeitig zu verzögern und wenn möglich ohne anzuhalten weiterzufahren ist. Ausser bei Kindern, da ist anzuhalten.»

Der Grund: Kinder seien unerfahren und könnten deshalb Geschwindigkeiten und Distanzen noch nicht richtig einschätzen. Gehrken führt aus: «Daher wird den Kindern auch vermittelt, dass sie erst den Fussgängerstreifen betreten sollen, sobald das Fahrzeug stillsteht.»

Wie verhalten Sie sich als Autofahrer, wenn jemand über den Fussgängerstreifen will?

Wenn diese Grundlagen nicht bekannt seien, könne es natürlich ein Problem – beziehungsweise einen Widerspruch – geben, so Gehrken.

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) sieht es ähnlich, wie Mediensprecher Christoph Leibundgut erklärt: «Bei heranrollenden Fahrzeugen sollten Kinder warten, bis diese stehen, um einen Unfall wegen einer Fehleinschätzung zu vermeiden.»

Fahrschule
Ein Fahrschüler und sein Fahrlehrer sitzen im Auto. (Symbolbild) - keystone

Erwachsene können so eine Situation dagegen besser abschätzen oder verstehen auch Handzeichen der Lenker besser.

Das BFU empfiehlt aber – anders als die Fahrlehrer – auch den Erwachsenen, erst zu gehen, wenn die Fahrzeuge stehen. Leibundgut betont: «Es gilt zu beachten, dass Erwachsene immer ein Vorbild für Kinder sind.»

Verzögerung macht auch ökologisch Sinn

Dass man in der Fahrschule lernt zu verzögern, statt anzuhalten, hat indes mehrere Gründe. Einerseits spielt der Verkehrsfluss eine Rolle. Andererseits ist es auch aus ökologischer Sicht sinnvoll, erklärt Gehrken.

Dennoch würden Fussgänger – auch Erwachsene – oft zögern, bis sie loslaufen. Ein Grund: «Autofahrende reduzieren oft zu spät die Geschwindigkeit», sagt Gehrken.

Das ideale Verhalten in so einem Fall: Es sei «frühzeitig die Geschwindigkeit zu reduzieren und Blickkontakt aufzunehmen». Ein Handzeichen könne allenfalls unterstützend helfen.

* Name geändert.

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