Expats werfen Schweizern «Starren» vor
Das Wichtigste in Kürze
- Touris und Expats werfen Schweizern vor, sie würden sie ungeniert angaffen.
- Das angebliche Phänomen geistert seit Jahren durch die Social-Media-Plattformen.
- Eine Expertin glaubt, dass es sich um mehr als nur ein Gerücht handelt.
Touristinnen und Touristen, aber auch Expats klagen, sie würden in der Schweiz unverhohlen angestarrt. Mehr noch – die Schweiz sei ein Volk von kollektiven Starrerinnen und Starrern. Im Internet ist die Rede vom sogenannten «Swiss Stare», also dem «Schweizer Starren».
Einige bringen das Angaffen gar mit rassistischen Motiven in Verbindung und fühlen sich unwohl. So auch eine Touristin am Zürichsee.
Sie vermisse die USA, wo man als schwarze Person nicht ständig begafft werde. «Hier fühlt man die Augen, wie sich dich anstarren. Als ob sie noch nie schwarze Menschen gesehen hätten!»
Andere raten im Netz, einfach so lange zurückzustarren, bis die Schweizerinnen und Schweizer den Blick abwenden.
Einige witzeln auch über das Phänomen. So erklärt beispielsweise eine junge Frau: «Ich bin eine Amerikanerin in der Schweiz. Ich fühle mich selbstbewusst, weil die Leute mich anstarren, bis ich merke, dass es sich um den ‹Swiss Stare› handelt.»
Aber was ist dran am «Swiss Stare»? Gaffen Schweizerinnen und Schweizer wirklich? Und wenn ja, warum?
Starren kein reines Schweizer Phänomen – aber auch
Sie habe das Phänomen des «Swiss Stare» noch nicht gekannt, sagt Expat-Coach Beatrice Rieben gegenüber Nau.ch. Dies, da sie momentan in Jerusalem lebe. Rieben betreut Schweizerinnen und Schweizer, die ins Ausland auswandern.
Jedoch sei sie etwas in sich gegangen und habe sich selbstkritisch gefragt, ob sie selbst zum «Swiss Stare» neige. «Zugegebenerweise fällt die Antwort mit Ja aus», so Knigge-Expertin Rieben.
Beobachtest du andere Leute in der Öffentlichkeit?
«Das kulturell Fremde sowie die vielen Gegensätze im selben Land faszinieren mich. Sie ziehen meinen Blick auch zwei Jahre später noch an», berichtet Rieben weiter.
Starren sei aber kein rein schweizerisches Phänomen, meint die Expat-Beraterin. Sie habe es auch in Sri Lanka bemerkt, als ihre Familie mit hellhäutigen und blonden Kindern dort gelebt habe. Die Kinder seien – im Vergleich zur Schweiz – dabei nicht nur angestarrt, sondern auch angefasst worden.
Schweizerinnen und Schweizer neugierig
Ein Grund für den «Swiss Stare» sei sicher, dass die Schweiz ein kleines Land sei. Man lebe weniger anonym. «Weil wir ländlich aufgestellt sind, fällt das Fremde eventuell mehr auf als zum Beispiel in Tokio oder Mexiko City.» Vielleicht werde deshalb mehr gestarrt.
Starren sei zwar «nicht gerade subtil, aber nicht unbedingt negativ gemeint», so Rieben. Es zeuge eher von unverhohlenem Interesse am Gegenüber – vielleicht auch von Neugier für das Unbekannte.
Sie selbst, meint Rieben, sei beispielsweise berufsbedingt interessiert an der Kleidung und dem menschlichen Verhalten der Gesellschaft. So zögen vielleicht auch Menschen Blicke auf sich, die anders angezogen seien als der Durchschnittsschweizer.
«Ob dies jetzt ausschliesslich Expats betrifft, wage ich zu bezweifeln.» Vielleicht seien Expats, zu denen sie im Ausland auch gehöre, besonders zarte Pflänzchen.
«Oder noch provokativer gefragt: Vielleicht ist das Schweizer Leben so angenehm und friedlich, dass man auf nichts anderes kommt als den ‹Swiss Stare›?»