Fachärzte: 50 Prozent aller Untersuchungen sind unnötig
Schweizer Ärzte sind genervt über ihre Arbeitskollegen: Hohe Zusatzhonorare und unnötige Untersuchungen würden die Gesundheitskosten in die Höhe treiben.
Das Wichtigste in Kürze
- Ärztinnen und Ärzte kritisieren ihre Berufskollegen aufs Schärfste.
- Man sei mitverantwortlich für die Explosion den Gesundheitskosten.
- Und zwar durch hohe Zusatzhonorare und unnötige Behandlungen.
Mehrere Ärzte aus der ganzen Schweiz haben sich gegenüber der «NZZ am Sonntag» kritisch zu ihrer Arbeit geäussert. Es laufe etwas schief im System – so sehr sogar, dass sie sich selbst als Teil des Problems sehen.
«Einige von uns haben den moralischen Kompass verloren», sagt einer. Die Ärztinnen und Ärzte seien mitschuldig an der Kostenexplosion. Gewisse würden Zusatzhonoraren zwischen 500 und 3500 Franken verlangen, damit sie Eingriffe vornehmen.
Der Gesundheitsökonom Heinz Locher, der bereits in zahlreichen Expertengruppen zur Senkung der Gesundheitskosten tätig war, stimmt zu: «Zu viele profitieren, deshalb ändert niemand etwas.»
50 Prozent der Untersuchungen unnötig
Weiter beklagen sich zwei Berner Ärzte über den sinkenden Nutzen vieler Untersuchungen. «40 bis 50 Prozent der Fälle, die zu mir kommen, haben kein Problem, das ich lösen kann», sagt einer.
Der andere Arzt fügt in der «NZZ am Sonntag» hinzu: «Die Nachfrage nach Untersuchungen wie Magnetresonanztomografien (MRI) oder Computertomografien (CT) ist explodiert. Diese Bilder sind teuer und oft medizinisch unnötig.» Sie werden nur gemacht, weil man heute all diese technischen Möglichkeiten hat.
Die beiden Ärzte sind sich sicher: Die Gesundheitskosten explodieren, weil es zu viele unnötige Untersuchungen gebe.
Einer von ihnen kritisiert gegenüber der Zeitung auch die Rolle der Hausärzte: «Es gibt sehr gute Hausärzte und andere, die keine Zeit haben. Sie untersuchen die Patienten nur oberflächlich und schicken sie zum Spezialisten.»
Auswege aus dem Dilemma
Die Problematik ist kein Geheimnis. Der Ärzteverband FMH schreibt dazu: «Die Vermeidung einer Überversorgung ist eine kontinuierliche und anspruchsvolle Aufgabe.»
Auch Gesundheitsökonom Heinz Locher hat bereits viele Vorschläge zur Eindämmung der Überversorgung diskutiert – bisher ohne Erfolg. Nun soll das Bewusstsein für das Problem bei den behandelnden Ärzten geschärft werden.