Feuerwehr: Freiwillige Feuerwehren locken Gen Z mit Tiktok & Tinder
Die Feuerwehr hat bei den Jungen einen schwereren Stand. Um am Ball zu bleiben, holen die Feuerwehren die Gen Z dort ab, wo sie sehr häufig ist: im Internet.
Das Wichtigste in Kürze
- Freiwillige Feuerwehren kämpfen gegen die sinkende Beliebtheit an.
- Teils wurden Altersgrenzen für den Dienst erhöht, um das Problem zu entschärfen.
- Freiwillige Feuerwehren nutzen zudem Tiktok und Tinder, um junge Leute anzulocken.
Die freiwilligen Feuerwehren der Schweiz haben ein Nachwuchsproblem. Vielerorts wird händeringend nach Interessierten gesucht, die ihre Zeit opfern, um Brände zu löschen oder im Katastrophenfall Menschenleben zu retten.
Und dafür werden die Feuerwehren ganz schön kreativ.
Christian Nüssli kennt die Hintergründe zur Nachwuchs-Problematik. Der stellvertretende Kommandant der Feuerwehr Gossau ZH erklärt bei Nau.ch: «Einerseits gibt es ein Freizeit-Überangebot, andererseits macht uns der Generationenwechsel zu schaffen.»
Altersgrenzen bei Feuerwehr hochgeschraubt
Früher war es häufig der Fall, dass man eintrat, wenn der Vater zuvor auch bei der Feuerwehr gewesen war. «Das hat sich verlaufen», sagt Nüssli. Auch die sinkende Verbundenheit mit dem Wohnort spiele eine Rolle.
Dazu kommt: «Feuerwehr ist eine Verpflichtung, mit Übungen und Einsätzen, die viel Zeit erfordern. Wir erleben, dass viele Jüngere lieber ungebunden sein wollen», sagt er.
Deshalb hat man vor zwei Jahren reagiert – und die Altersgrenzen erhöht, um dem Mangel entgegenwirken zu können. Statt wie bislang bis 50 darf man nun bis 55 dabeibleiben. «Diese Massnahme verschaffte uns Luft.»
Derzeit sei man mit der Aufstellung zwar zufrieden. Aber: «Das Thema Nachwuchs macht uns immer ein bisschen Sorgen.»
Um neue, auch junge Leute zu finden, setzt die Feuerwehr in Gossau ZH in erster Linie auf Infoabende. Und eine öffentliche Hauptübung. «Zudem setzen wir auf Mund-zu-Mund-Propaganda», so Nüssli.
Tiktok-Videos zeigen brandheissen Alltag
Einen anderen Weg geht die freiwillige Feuerwehr der Stadt Zug (FFZ). «Wir haben unsere Präsenz auf Social Media stark ausgebaut», sagt Kommandant Daniel Jauch zu Nau.ch. Mit Erfolg: Auf Instagram folgen der FFZ inzwischen über 2800 Leute, auf Tiktok sogar über 28'000!
Zur Verdeutlichung: In der Stadt Zug leben insgesamt rund 30'000 Personen.
Auf dem Kanal gibt es dann Eindrücke aus dem Alltag der Feuerwehrleute zu sehen: Einsätze wegen eines Brandes, Katzenrettungen und Übungen. Spektakuläre Eindrücke mit vielen Flammen und Rauch inklusive (siehe Video oben).
Die Strategie: «Wir müssen die Leute dort abholen, wo sie sind», so Jauch. «In einer Stadt ist man im Gegensatz zu ländlichen Gebieten anonym unterwegs. Niemand klingelt unten beim Feuerwehrdepot oder ruft uns an.» Deshalb sei der Auftritt auf Social Media zentral.
Deutliche Entspannung dank Tiktok und Co.
Doch Tiktok und Co. allein reichen nicht aus, um «gluschtig» aufs Feuerwehrleben zu machen. Jauch sagt: «Von unseren Social Media führen wir die Interessierten direkt auf eine neu gestaltete Website, wo sie alle Informationen finden.»
Wer sein Interesse auf der Website anmeldet, erhalte innert 24 Stunden einen Rückruf. Dann stehen ein erstes Gespräch per Telefon und anschliessend eine Übung an, wo die Tauglichkeit geprüft wird.
Diese Strategie schenkt ein. «In den Jahren 2018/2019 war eine unserer grössten Sorgen, ob wir künftig den Bestand noch halten können. Mit viel Aufwand gelang es uns, dass sich die Situation deutlich entspannt», so der Zuger Kommandant.
Dennoch mahnt Daniel Jauch davor, sich zurückzulehnen. «Es kann immer Gegenwind geben», sagt er. Über dem Berg sei man noch nicht. «Wir müssen am Ball bleiben.»
Und am Ball bleiben kann auch heissen, sich in die Welt des Online-Datings vorzuwagen. So hat es zumindest die Feuerwehr Romanshorn TG vorgemacht.
Im Frühjahr schaltete sie zwei Tinder-Accounts online, einmal als Mann und einmal als Frau. Im Profiltext machten sie auf einen bevorstehenden Infoanlass aufmerksam. «Wir würden dich gerne kennenlernen», hiess es.
Tinder-Feuerwehr: «Heisses Hobby»
Die Tinder-Werbung kann man tatsächlich als Erfolg verbuchen.
Gegenüber Nau.ch teilt die Feuerwehr Romanshorn mit: «Mindestens zwei neue Feuerwehrleute haben die Tinder-Profile gesehen. Und fanden den Text so ansprechend, dass sie zum Informationsabend gekommen sind.»
Weiter heisst es: «Grundsätzlich ist Feuerwehrdienst ein sehr ‹heisses› Hobby.» Die Profile seien unterdessen gelöscht worden, die Telefonnummern gesperrt.
Fortan setzt man am Bodensee auf Social Media, regionale Gesellschaftsanlässe und den Austausch mit anderen Vereinen.