Grosser Wolf-Zoff entfacht: Darum sind die Bauern enttäuscht
Wölfe haben im vergangenen Jahr 448 beschützte Tiere gerissen. Der Bauernverband zeigt sich von diesen Zahlen überrascht. Und fordert konsequente Jäger.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bilanz: 1051 Schaf- und Ziegenrisse, davon 448 bei geschützten Herden.
- Die Bauern finden: Der Herdenschutz nützt nichts, es braucht eine konsequente Regulierung.
- Wolfsfreunde entgegnen: Bis zu einem gewissen Grad müsse man Schäden akzeptieren.
Nau.ch legte kürzlich die neusten Zahlen offen: Letztes Jahr gab es 1051 Schaf- und Ziegenrisse. 426 der Tiere waren ungeschützt, 177 gelten als «nicht schützbar». Jedoch wurden auch 448 Tiere gerissen, die von Zäunen und Herdenschutzhunden beschützt wurden.
Und dieser Punkt sorgt nun für heftige Kritik der Bauern. «Wir sind überrascht, dass es sogar mehr Risse in geschützten Herden sind als in ungeschützten. Wir haben tendenziell doppelt so viele Risse in ungeschützten Situationen als in geschützten erwartet», so Sandra Helfenstein vom Schweizerischen Bauernverband.
Ihr Fazit: «Die Situation ist nicht zufriedenstellend. Das zeigt mit grösster Deutlichkeit: Die Behauptung, ‹nur den Herdenschutz richtig umsetzen, und dann sind die Probleme mit den Wölfen gelöst›, greift zu kurz.»
Helfenstein fordert, dass die Kantone die proaktive Wolfsregulierung «mit der nötigen Konsequenz» umsetzen. «Es muss gelingen, die wachsenden Wolfbestände wirksam zu begrenzen.»
Bauern fordern knallharte Jäger – Wolfsfreunde schütteln den Kopf
In anderen Worten: Es braucht mehr Abschüsse. Die ersten Erkenntnisse aus diesem Winter hätten nämlich gezeigt, dass das Wolfswachstum lediglich gebremst, aber nicht gestoppt werden konnte.
Für Kopfschütteln sorgen die Forderungen bei David Gerke von der Gruppe Wolf Schweiz.
«Solange es Wildtiere gibt, werden diese gewisse Konflikte verursachen. Es wird nie möglich sein, alle Konflikte zu verhindern», entgegnet der Wolfsfreund. «Weder mit Herdenschutz und erst recht nicht mit Abschüssen, die nachweislich nicht zum Rückgang von Rissen führen. Bis zu einem gewissen Grad sind Schäden durch Wildtiere zu tolerieren.»
Gerke findet, dass ein konsequenter Herdenschutz alternativlos sei. Und hier hapere es. «Die vom Bund definierten Herdenschutzmassnahmen stellen das zumutbare Minimum dar, nicht das Optimum.»
Müssen Tiere nur besser geschützt werden?
Ein 90 Zentimeter hoher Elektrozaun oder mindestens zwei Herdenschutzhunde, das seien sehr einfache Massnahmen, so Gerke. «Sie reduzieren Risse, sind aber weit entfernt von einem optimalen Herdenschutz. Die Massnahmen wären viel wirksamer, wenn sie miteinander kombiniert würden.»
448 Risse trotz Herdenschutz. Die Gründe dafür nennt Felix Hahn von der Agridea, welche für die Herdenschutz-Koordination in der Schweiz zuständig ist. Einen «hundertprozentigen Schutz» gebe es nie. Beim Herdenschutz gehe es um «Schadensminimierung».
Bei Herdenschutz-Hunden sollten Bauern aber vor allem drei Punkte beachten.
Hier passieren die meisten Fehler beim Herdenschutz
Erstens: Sind die Nutztiere über eine zu grosse Fläche verteilt? So können Herdenschutzhunde, vor allem in verbuschtem und schlecht überschaubarem Gelände, nicht mehr optimal beschützen.
Weiter: Wie ist die Qualität der Herdenschutzhunde? Es gebe nämlich unbestritten grosse Unterschiede in der Schutzeffizienz von Hunden.
Und wichtig sei auch die Anzahl der Herdenschutzhunde und die Rudelzusammensetzung. Gibt es zu wenige, zu alte Hunde? Oder ist es ein Hunderudel mit vielen internen Spannungen?
Auch bei den Schutzzäunen gebe es Optimierungsbedarf. So sei es wichtig, dass diese eine genügende Elektrifizierung (3000 Volt) hätten. Und es müsse überprüft werden, ob die unterste Litze zu hoch über dem Boden sei. Insbesondere bei Gräben und Bächen, wo Wölfe durchbrechen können.
Nicht beeinflussen lasse sich hingegen das Wetter. Regen und Nebel begünstigen Wolfsangriffe.
Kanton Bern zieht die Schraube an – und erntet Bauern-Kritik
Nau.ch berichtete kürzlich, dass der Kanton Bern die Schraube für die Bauern anzieht. Für gerissene Schafe gibt's nur noch Geld, wenn die zumutbaren Herdenschutzmassnahmen ergriffen wurden. Nun kritisieren die Bauern diesen Entscheid heftig.
«Davon halten wir gar nichts», so Helfenstein. «Es ist völlig unverständlich, wenn ein Kanton die Regeln ändert.» Die Beurteilung, ob ein gerissenes Tier geschützt oder ungeschützt war, werde ohnehin schon sehr streng gehandhabt.