Haferdrink läuft der Kuhmilch noch nicht den Rang ab
Hafermilch ist in zahlreichen Schweizer Städten sehr beliebt – zum Beispiel aufgeschäumt im Cappuccino. Dennoch bleibt der Konsum pro Kopf von Kuhmilch stabil.
Das Wichtigste in Kürze
- Milch- und Fleischalternativen werden in der Schweiz immer beliebter.
- Dennoch wird Kuhmilch immer noch häufig konsumiert, insbesondere in Form von Käse.
- Die Lebensmittelbranche rechnet mit einem Wachstum vom Verkauf von pflanzlichen Proteinen.
Jahrzehntelang hatte Kuhmilch etwa als Schulmilch einen guten Ruf. Heute schlürfen viele Hipster in den Cafés von Basel, Bern oder Zürich lieber einen Haferdrink-Cappuccino. Der Milchkonsum pro Kopf blieb in der Schweiz bisher trotzdem stabil – dank des hierzulande heiss geliebten Käses.
In der Wirtschaftswunderzeit spiegelte sich die Wertschätzung im Werbeslogan «Milch macht müde Männer munter» wider. In den 80er Jahren kam die Parole «Die Milch macht's» auf, die kaum jemand infrage stellte. Milch galt als besonders gesund, als gut für die Knochen zum Beispiel wegen eines hohen Kalziumgehalts.
Heute hört man öfter, dass Leute sie nicht vertragen oder dass sie bezweifeln, dass sie Menschen oder dem Klima guttue. Stichwörter: Laktose-Intoleranz, Tierwohl, Methan-Ausstoss. Verbunden mit einem Trend zu mehr vegetarischer Ernährung boomen daher die Milchersatzprodukte wie Hafer-, Reis-, Mandel- oder Sojadrink.
Oatly wurde gehyped
2021 ging der schwedische Hafermilchhersteller Oatly gar mit viel Trara an die Börse. Auf den Hype folgte allerdings die Ernüchterung. Seit dem Gang aufs öffentliche Parkett der Nasdaq hat die Aktie rund drei Viertel ihres Werts verloren. Sie kostet aktuell noch rund 4Dollar.
Trotz des vielleicht übertrieben Hypes um den Haferdrink-Produzenten aus dem hohen Norden geht der Konsum von Milch pro Kopf zurück. In Deutschland etwa sank er im vergangenen Jahr auf nur noch 47,8 Kilogramm (minus 2,2 Kilogramm).
Das ist der niedrigste Milchverbrauch seit Beginn der gesamtdeutschen Statistik im Jahr 1991. 1995 lag der Pro-Kopf-Verbrauch von deutscher Konsummilch (was Vollmilch, entrahmte, teilentrahmte sowie Vorzugsmilch umfasst) noch bei knapp 62 Kilogramm.
Auch in der Schweiz geht die getrunkene Konsummilch pro Kopf stetig zurück. 2011 lag man hierzulande noch bei etwa 60 Kilogramm. 2020 waren es noch deren 50, wie aus Zahlen der Schweizer Milchproduzenten SMP hervorgehen.
Käse rettet Milchkonsum
Dem Interessenverband der Branche bereitet dies allerdings kein Kopfzerbrechen. «Man darf den Milchkonsum nicht allein auf die getrunkene Milch reduzieren», erklärt Sprecher Reto Burkhardt auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. Betrachte man den gesamten Milchverbrauch pro Kopf, so sei dieser in der Schweiz stabil.
Grund hierfür ist etwa die Liebe von Herr und Frau Schweizer für Käse. Ob Appenzeller oder Emmentaler: der Konsum von Käse stieg von 8,4 Kilogramm pro Kopf im Jahr 1950 auf 19,0 Kilogramm im Jahr 2000. 2021 stand er bei über 23 Kilo.
Der gesamte Milchverbrauch pro Kopf und Einwohner der Schweiz lag 2021 insgesamt bei 362 Kilo. Mit Blick nach vorne gibt man sich beim Verband daher auch optimistisch, dass der Gesamtverbrauch von Milch stabil bleiben werde. Die Milchproduktion im Gras- und Wasserland Schweiz sei «absolut standortgerecht und sinnvoll», so der SMP.
Emmi bietet Milchalternative an
Auf den Geschmack von Milchalternativen gekommen ist allerdings auch die Industrie. Etwa der Milchverarbeiter Emmi. Das Innerschweizer Unternehmen produziert unter der Marke Beleaf pflanzliche Alternativen zu Milchprodukten.
Der Umsatz liegt aktuell noch im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Doch die Nachfrage zieht an. Emmi rechnet mittelfristig mit Wachstumszahlen von jährlich bis 20 Prozent.
Auch der Milchverarbeiter Hochdorf möchte nicht mehr so stark vom Rohstoff Milch abhängig sein. Dies führte Geschäftsführer Ralph Siegl unlängst in einem Interview mit AWP aus. Hochdorf solle vom reinen Milchverarbeiter-Image wegkommen und sich stärker als Spezialist für besondere Ernährungsbedürfnisse positionieren.
Nestlé will nachhaltiger werden
Auf Ersatzprodukte setzten schliesslich auch die grossen Konzerne. So mischt Nestlé mit verschiedenen Marken mit. Aktuell macht der Lebensmittelgigant mit Fleisch- und Milch-Alternativen einen Umsatz von 800 Millionen Franken – Tendenz steigend.
Dem Unternehmen bereiten ausserdem die Emissionen bei Milchproduktion Kopfzerbrechen. Das Unternehmen will bei der landwirtschaftlichen Versorgungskette ansetzen, um seine CO2-Reduktionsziele zu erreichen, wie es diesen Mittwoch angekündigt hatte.
Gemäss der Mitteilung hat Nestlé weltweit rund 100 Pilotprojekte lanciert. Durch sie sollen die Emissionen verringert, Wasserressourcen geschont und die regenerative Landwirtschaft gefördert werden. Das Unternehmen baut zudem Forschungshöfe auf, um dort neue Lösungen zu testen, die dann auf Referenzhöfe übertragen werden.
Pflanzliche Proteine werden beliebter
Fragt man Analysten und Branchenkenner, so ist für diese klar: Pflanzliche Proteine – verwendet als Milch- oder Fleischersatz – sind ein wachsender Milliarden-Markt. Der Markt an pflanzlichen Proteinen dürfte bis 2030 auf ein Volumen von 162 Milliarden Dollar (155 Milliarden Franken) steigen. Das wäre eine Verfünffachung innerhalb eines Jahrzehnts.