Holocaust-Gedenktag: So steht es um Antisemitismus in der Schweiz
Heute Montag jährt sich die Befreiung aus dem Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zum 75. Mal. Antisemitismus ist weiterhin aktuell – auch in der Schweiz.
Das Wichtigste in Kürze
- Heute ist das Jubiläum der Befreiung des Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau.
- Antisemitismus ist weiterhin ein Problem.
- Auch in der Schweiz – doch es tut sich was.
Heute Montag findet der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts statt. Der Tag wurde 2005 von den Vereinten Nationen zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau eingeführt. Alleine in diesem Konzentrationslager wurden rund eine Million Menschen getötet, die Mehrheit davon waren Juden.
Der Jahrestag der Befreiung jährt sich dieses Jahr zum 75. Mal. Im Zuge der Erinnerungsveranstaltung, die bereits letzte Woche begann, hielt der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine emotionale Rede – und warnte vom wachsenden Antisemitismus in Deutschland.
In der Gedenkstätte Yad VaShem: Präsident Frank-Walter Steinmeier beendet seine Rede mit einem jüdischen Gebet auf Hebräisch: Baruch atah Adonaj, schehechejanu, wekijmanu wehigianu la’seman haseh. Gepriesen seist Du, Gott, der Du uns Leben und Erhaltung gegeben hast. pic.twitter.com/wdnCo8XPYH
— Roger Wisser🎗️ (@rogerwisser) January 23, 2020
Auch in der Schweiz ist der Hass auf die jüdische Gemeinschaft ein Thema. Aber: «In der Schweiz gibt es im Vergleich mit anderen Ländern nur sehr wenig gewalttätige Übergriffe auf jüdische Menschen beziehungsweise jüdische Institutionen», sagt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG).
Grenze des Sagbaren wird verschoben
Dies sei aber «nur im ersten Moment beruhigend». Denn: Hassreden seien in der Schweiz genauso weit verbreitet wie im Ausland. «Wir stellen dort auch fest, dass die Menschen solche Aussagen mit ihrem Klarnamen veröffentlichen und nicht anonym», führt Kreutner aus. Die Grenzen des Sagbaren haben sich laut dem Generalsekretär eindeutig verschoben.
Das hat weitreichende Folgen. Jüdische Menschen würden sich in der Schweiz zwar nicht ständig bedroht fühlen, aber der latent «schwellende Antisemitismus und die Entwicklungen im nahen Ausland» seien beunruhigend. Als Beispiel für den Schweizer Antisemitismus nennt Kreuter die jüngste Veröffentlichung der rechtsextremen Band Amok um den verurteilten Neonazi Kevin G.
In einem ihrer Lieder wird der Angriff auf einen orthodoxen Juden verherrlicht, «ausserdem werden Juden als Nilpferde bezeichnet, die zum Abschuss freigegeben sind». Die jüdischen Gemeinden und Institutionen wiederum müssten sich zusätzlich mit einer erhöhten terroristischen Bedrohungslage auseinandersetzen.
Kosten für Sicherheit bei sieben Millionen Franken
So haben laut dem SIG alle jüdischen Einrichtungen «in irgendeiner Form» Sicherheitsmassnahmen ergriffen. Diese würden sich aber regional unterscheiden. Der SIG schätzt die Kosten für Sicherheit auf sieben Millionen Franken, die die Gemeinden selber tragen müssen. Für viele Gemeinden durchaus ein Problem.
Abhilfe schafft nun der Bund. Bis Ende Januar noch können Minderheiten beim Bundesamt für Polizei (Fedpol) Gesuche einreichen, um Finanzhilfe zu erhalten. Anrecht haben Minderheiten, «welche einer Bedrohung durch Angriffe im Zusammenhang mit Terrorismus oder gewalttätigem Extremismus ausgesetzt sind».
Kreutner: «Soweit bekannt, sind aber bereits ein knappes Dutzend Gesuche um Unterstützung bei Sicherheitsmassnahmen aus der ganzen Schweiz eingegangen.» Während der Bund reagiert, agieren die Kantone eher zögerlich.
Kantone sollen mehr machen
«Die Kantone müssen sich bewegen und mehr tun», sagt Kreutner. Die Last dieser Sicherheitsproblematik müsse fair zwischen der jüdischen Gemeinschaft, dem Bund und den Kantonen und Städten verteilt werden. Weiter: «Wir sind sehr froh, dass zum Beispiel der Kanton Zürich und Basel-Stadt bereits sehr konkrete eigene Massnahmen umgesetzt oder in Aussicht gestellt haben.»
Bis spätestens Ende November 2020 wird das Fedpol laut der «Richtlinie für das Verfahren im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Finanzhilfegesuchen» die Gesuchsteller informieren. In einem Monat wird der Antisemitismusbericht 2019 veröffentlicht, welcher der SIG mit herausgibt. Dann wird sich zeigen, was sich im vergangenen Jahr getan hat – im Guten oder Schlechten.