Immer mehr Kids rebellieren beim Klassenfoto
Viele Eltern wollen ihre Kinder nicht mehr im Internet zeigen. Das geht so weit, dass Schüler auf dem Klassenfoto der Kamera den Rücken zuwenden.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Berner Schule zeigt ihre aktuellen Klassenfotos im Internet.
- Einige Kinder wenden der Kamera darauf aber den Rücken zu.
- Bei einem Datenschutzexperten sorgt das für Begeisterung.
Die Kinder lächeln freundlich in die Kamera, daneben steht die stolze Klassenlehrperson: So sehen Klassenfotos in der Regel aus. Das ist heute aber oft nicht mehr so, wie ein Fall aus dem Kanton Bern zeigt.
Eine ländlich gelegene Schule veröffentlicht jedes Jahr die aktuellen Klassenfotos auf ihrer Webseite. Auf den ersten Blick fällt nichts Aussergewöhnliches auf. Doch schnell erkennt man: Auf einigen Bildern drehen die Kids der Kamera den Rücken zu.
Über den Grund lässt sich nur spekulieren. Der Leiter der betroffenen Schule sagt auf Anfrage von Nau.ch lediglich: «Beim Schuleintritt können die Eltern angeben, ob sie mit der Veröffentlichung von Bildern ihrer Kinder im Internet einverstanden sind. Dabei müssen sie keinen Grund angeben.»
Viele Eltern wollen keine Kinder-Fotos im Internet
Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH, vermutet Datenschutzüberlegungen. Vielleicht handle es sich um Fotos, die für die Schul-Webseite gemacht werden, auf der Eltern ihr Kind nicht zeigen wollen. Das sagt sie zu Nau.ch.
«Oft geschieht das aus Persönlichkeitsschutzgründen, weil Eltern nicht wollen, dass ihr Kind im Internet zu finden ist. Das kommt immer wieder vor, in der Regel sind es aber eher Ausnahmen.»
Beat Schwendimann, der sich beim Lehrerverband auch mit Datenschutz-Fragen beschäftigt, spricht jedoch nicht von Ausnahmen. Er erlebe «oftmals Erziehungsberechtigte, die keine Fotos ihrer Kinder veröffentlicht haben wollen».
«Fragwürdig, Klassenfotos im Internet öffentlich zu machen»
Begeisterung lösen die Wegdreh-Bilder beim Datenschutz-Experten Martin Steiger aus. «Respekt, wenn sich das Kind tatsächlich weggedreht hat, um seine Privatsphäre zu schützen!», sagt er zu einem der Fotos.
Er gibt zu bedenken: «Wir leben im Zeitalter der Gesichts- und Personenerkennung. Bilder, die Internet öffentlich zugänglich sind, werden nach Personen durchsuchbar erschlossen.» Sie würden gar für das Training von künstlichen Intelligenzen verwendet.
«Ich halte es deshalb für fragwürdig, Klassenfotos im Internet öffentlich zugänglich zu machen.» Selbst wenn vorher die Einwilligung der Kinder und Eltern eingeholt wird – Steiger findet: «Es sollte auf die Veröffentlichung verzichtet werden.»
Seine Begründung: Womöglich könnte «Gruppendruck in der Klasse» dazu führen, dass man sich trotz unguten Gefühls einverstanden erklärt.
Alexandra Amato von der Zürcher Elternmitwirkungs-Organisation KEO hat einen Alternativvorschlag: Es gebe Schulen, die für Eltern einen Intranetzugang einrichten, um Klassenfotos anzuschauen.