Immer mehr Mieter zittern wegen Wohnungsnot vor Kündigung
Die Preise steigen, das Angebot schwindet: Mieter in der Schweiz sind unter Druck. Wer seine Wohnung verlassen muss, hat oft Mühe, eine neue Bleibe zu finden.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Wohnungsnot wirkt sich auch auf die Psyche von Mietern aus.
- Viele befürchten, die Wohnung verlassen zu müssen – und keine neue zu finden.
- Zittern muss vor allem, wer in sanierungsbedürftigen Wohnungen lebt.
Rhea* (37) lebt mit ihren beiden Kindern und ihrem Mann in einer 4.5-Zimmer-Wohnung mitten in der Stadt Freiburg. Alle sind happy dort. Doch etwas belastet die Familie. Sie fürchten sich vor einer Kündigung.
Denn das Verhältnis zum Vermieter, der einen Stock höher wohnt, ist nicht das beste. Und Wohnungen wie ihre für 2100 Franken im Monat sind rar. Wird im selben Quartier eine 4,5-Zimmer-Wohnung renoviert oder neu gebaut, kostet sie schnell 2800 bis 3200 Franken. «Das können wir uns schlicht nicht leisten», sagt Rhea zu Nau.ch.
«Angst vor Kündigung ist real»
So wie Rhea geht es immer mehr Menschen in der Schweiz. «Die Angst vor der Kündigung bei Mieterinnen und Mietern ist sehr real und wird als belastend empfunden», sagt Sabina Meier, Geschäftsleiterin des Berner Mieterverbands. Auch Walter Angst vom Zürcher Mieterverband bestätigt auf Anfrage, dass sich Mieter vermehrt vor Wohnungskündigungen fürchten.
«Es betrifft vor allem Mieter, die in Häusern wohnen, die älter als 25 Jahre sind oder bei denen die letzte Sanierung länger zurückliegt», erklärt Angst. Denn es würden kaum noch Sanierungen in bewohntem Zustand durchgeführt. Die Zahl der sogenannten Leerkündigungen habe folglich in den letzten zehn Jahren stark zugenommen.
Zudem würden immer öfter Siedlungen aus den 1980er- und 1990er-Jahren abgerissen. «Die Bleibesicherheit ist dadurch massiv eingeschränkt worden. Das schlägt auf die Psyche und macht die Menschen krank», so Walter Angst.
Beide können die Situation von Rhea nachvollziehen. «Es ist sehr schwierig, eine bezahlbare oder geeignete Wohnung zu finden», sagt Sabina Meier.
«Mietrecht schützt vor Rachekündigung»
Um nicht negativ aufzufallen, meldet Rhea kleinere Mängel in der Wohnung nicht mehr. Das sei jedoch der falsche Weg, erläutert Meier: «Das Mietrecht schützt vor Rachekündigung. Wenn wegen eines gerechtfertigten Mangels nachweisbar gekündigt wird, sind die Chancen gut, dass der Mieter sich erfolgreich dagegen wehren kann.»
Auch Walter Angst erklärt, dass sich viele Mieter aus Angst vor einer Kündigung defensiv verhalten würden. «In den meisten Fällen ist diese Angst aber unbegründet», betont auch er.
Bei der Angst vor einer Kündigung spiele somit vor allem die individuelle Wohnsituation eine Rolle, so Sabina Meier: «Zeichnet sich demnächst eine Sanierung ab oder bestehen ungelöste Probleme mit dem Vermieter, ist das Risiko einer Kündigung sicher nicht von der Hand zu weisen.»
Für Rhea und ihre Familie ist klar: Sie wollen versuchen, sich nicht verrückt zu machen – und positiv zu bleiben. «Sollten wir die Wohnung einst verlassen müssen, wird es eine Lösung geben.»
*Name von der Redaktion geändert