Israel Krieg: Woher kommt der Antisemitismus in der Schweiz?
Seit der Israel-Krieg ausgebrochen ist, nehmen antisemitische Vorfälle weltweit zu. Ein Experte erklärt, woher dieser Hass auf jüdische Menschen kommt.
Das Wichtigste in Kürze
- Jüdische Organisationen beklagen eine starke Zunahme antisemitischer Vorfälle.
- Dies gilt für mehrere Länder – so auch für die Schweiz.
- Ein Antisemitismus-Experte erklärt den Ursprung der Judenfeindlichkeit.
Seit rund zweieinhalb Wochen herrscht zwischen der Hamas und Israel Krieg. Damit scheint der Antisemitismus wieder zugenommen zu haben: Jüdische Organisationen haben eine «schockierende Zunahme antisemitischer Zwischenfälle» in vielen Ländern beklagt.
Das lasse eine «beunruhigende Zeit» erahnen. In Grossbritannien hätten sich dokumentierte antisemitische Zwischenfälle verfünffacht, hiess es letzte Woche. Auch wiesen die jüdischen Organisationen auf Vorfälle in den USA und Frankreich hin: So wurde in Deutschland der Davidstern an Wohnungen von Juden gemalt.
Bei anti-israelischen Demonstrationen gebe es «höchst verstörende antisemitische Bilder und Rhetorik», so die jüdischen Gemeinden. «Es gibt zu viele ähnliche Beispiele aus zu vielen Orten in der Welt.»
Antisemitische Graffitis wegen Israel-Krieg
Auch in der Schweiz ist gemäss jüdischen Organisationen seit dem Israel-Krieg eine antisemitische Stimmungsmache wahrzunehmen. Die Meldestelle für antisemitische Vorfälle in der Westschweiz (CICAD) berichtete vor rund einer Woche von Vorfällen an Schulen. Hinzu kämen antisemitische Graffitis.
Doch woher kommt dieser Hass auf jüdische Menschen? Der Antisemitismus hat in Europa eine lange Geschichte, wie Erik Petry, Professor für Jüdische Geschichte an der Universität Basel erklärt.
Judenfeindlichkeit gibt es bereits seit der Spätantike, also ungefähr seit dem 3. Jahrhundert, so der Experte. Ab dem 19. Jahrhundert wurde Antisemitismus als neuzeitliches Phänomen entwickelt.
«Bezeichnet man eine Person oder einer Handlung als jüdisch, ist das grundsätzlich mit einer herabwürdigenden Absicht verbunden.»
Für den Experten ist klar: «Antisemitismus ist nach wie vor ein Problem in Europa. Den Gesellschaften ist es bis heute nicht gelungen, sich von dieser inhumanen Bewegung durch Aufklärung und Bildung zu befreien.»
Dass der Antisemitismus jetzt zunimmt, hat damit zu tun, dass er «auch auf den Staat Israel ‹angewendet› wird», sagt Petry. Heisst: Die Judenfeindlichkeit steigt wegen der aktuellen Ereignisse im Israel-Krieg.
«Name ‹Rothschild› wird synonym zu Geldbesitz und Geldgier gesehen»
Die Definition von Antisemitismus: «Die als wahr angenommenen und verbreiteten negativen Stereotypen und Vorurteile gegenüber jüdischen Menschen und der jüdischen Religion.» Der Begriff sei sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Gegenwart bezogen.
Antisemitismus könne einerseits auf die jüdische Gesellschaft als Ganzes bezogen sein. Zum Beispiel: «‹Die Juden sind eben so› – das wäre dann die ethnische Zuschreibung.» Oder andererseits auf einzelne Personen: «Er/sie tut dies, weil er/sie jüdisch ist.»
Die Judenfeindlichkeit könne sich von abfälligen Bemerkungen, in Bildern und Gesten sowie bis hin zu tödlicher Gewalt äussern. «Antisemitismus äussert sich in der Schweiz bis jetzt deutlich weniger gewalttätig als zum Beispiel in Frankreich oder Deutschland.»
Petry erklärt: «Sehr häufig muss ein antisemitischer Zusammenhang nicht explizit ausgesprochen werden. Denn auch die versteckten Codes werden vom Adressaten sofort verstanden. So wird der Name ‹Rothschild› synonym zu Geldbesitz und Geldgier gesehen.»
Antisemitismus schliesse Jüdinnen und Juden aus der Gesellschaft aus. «Gleichzeitig wird Jüdinnen und Juden das Recht auf eine Heimat abgesprochen», erklärt der Experte.