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Ist das Basler Klybeck mit Chemiemüll aufgeschüttet?

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Basel,

Der Altlastenexperte Martin Forter macht brisante Aussagen zum Basler Klybeck-Quartier.

Basel Klybeck
Ist das Basler Klybeck mit Chemiemüll aufgeschüttet? - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Martin Forter lässt mit Aussagen zum Basler Klybeck-Quartier aufhorchen.
  • Laut dem Altlastenexperten sei das Klybeck mit Chemiemüll aufgeschüttet.

Im neunten Band der Basler Stadtgeschichte werden die Stadträume beleuchtet. Martin Forter widmet sich in einem Text dem Klybeck. Und was der Altlastenexperte darüber schreibt, lässt aufhorchen. Steht das Quartier auf Chemiemüll?

Die Wiese sei öfters über ihre Ufer getreten, deshalb habe die Basler Regierung zwischen 1897 und 1936 die Strassen im Quartier auf Dämmen bauen lassen, berichtet Forter.

Das Land dazwischen soll mit Abfällen aufgefüllt worden sein. Auch mit Abfällen der Ciba. Forter zitiert den Basler Kantonschemiker Hans Kreis, der 1903 geschrieben haben soll, dass drei Viertel der Ciba-Abfälle «zum Auffüllen von Land abgeführt» wurden.

klybeck basel
Altlastenexperte Martin Forter warnt vor der Schadstoffbelastung im Klybeck-Areal. - Screenshot SRF

Der Chemiemüll sei in den unteren Rheinweg, den Uferplatz, den Altrheinweg beim Kinderspielplatz Ackermätteli und in die Ackerstrasse gelangt. Im Unteren Rheinweg wurde 2021 das krebserregende Benzidin im Grundwasser entdeckt.

«Diese Deponien wurden bis heute nicht systematisch untersucht», kritisiert Forter. Der Altlastenexperte geht davon aus, dass die Ciba im Klybeck von 1900 bis 1971 zwischen 6000 und 7000 Tonnen Benzidin produzierte.

«Kann davon ausgehen, dass es im Klybeck an weiteren Stellen Chemiemüll hat»

Dass das Klybeck aufgeschüttet ist, sei klar, sagt Forter auf Anfrage von OnlineReports. «Angesichts der Funde am Unteren Rheinweg und beim Ackermätteli kann man davon ausgehen, dass es im Klybeck an weiteren Stellen Chemiemüll hat», präzisiert er. Das bedeute aber nicht, dass das ganze Klybeck auf Chemiemüll gebaut worden sei.

Schon im Jahr 2019 sagte Matthias Nabholz, Leiter des Amts für Umwelt und Energie des Kantons Basel-Stadt, gegenüber der WOZ: «Für die Umwelt wäre es das Beste, das ganze Klybeck abzutragen und neu aufzuschütten.» Aber das sei natürlich keine Option.

Warst du schon einmal im Basler Klybeck-Quartier?

Forter ist Geschäftsführer der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz. Diese sprachen sich damals dagegen aus, das ganze Klybeck-Quartier abzutragen. Das sei «unsinnig» und habe auch niemand verlangt.

Stattdessen forderten sie, die historisch bekannten Chemiemüll-Lager zu untersuchen und zu beseitigen. Ausserdem sollte das ganze Quartier systematisch auf weitere Chemiemüll­-Ablagerungen untersucht und diese gegebenenfalls ebenso beseitigt werden.

«25'000 bis 35'000 Tonnen Schadstoffe versickert»

Gemäss Schätzungen der Ciba sollen von 1925 bis 1980 allein aus den Produktionsbetrieben im Areal 3 über 9500 Tonnen Schadstoffe in den Boden gelangt sein.

Forter schliesst daraus, dass aus allen Produktionsarealen im Klybeck «somit 25'000 bis 35'000 Tonnen Schadstoffe versickert» sein könnten. Am Abwasserrohr von Bau K-99, wo die Ciba Benzidin produzierte, soll es «belegte Schäden» geben.

Umschlag und Lagerung von Rohstoffen und Abfällen haben zu zahlreichen Havarien, Bränden und Explosionen geführt. Im Bau K-99 loderten 1907 und 1910 «Grossfeuer». 1967 brannte es erneut. «Mit dem Löschwasser könnten auch Benzidin und andere Stoffe in den Untergrund geflossen sein», schreibt Forter.

Im Altlastenvertrag von 1997 sollen die Novartis AG und die Ciba Spezialitäten Chemie AG vereinbart haben, mit einem allfälligen Landverkauf im Klybeck «dem Käufer möglichst die gesamte Verantwortung für alle drohenden oder eingetretenen Schäden und Altlasten […] zu überbinden».

Klybeck Areal Basel
Blick auf das Klybeck-Areal in Basel. (Archivbild) - keystone

Anfang der 2000er-Jahre wurde eine Altlastenuntersuchung durchgeführt. «Boden und Grundwasser wurden mit Billigung des Basler Amts für Umwelt und Energie meist nur auf Schadstoffe untersucht, welche die Altlastenverordnung von 1998 explizit aufzählt», kritisiert Forter, «nicht aber auf Chemikalien, welche Novartis, Ciba SC oder ihre Vorgängerfirmen im Klybeck verwendet hatten, wie zum Beispiel Benzidin.»

2019 verkauften Novartis und BASF ihre Klybeck-Areale. Swiss Life und Rhystadt wollen nun darauf ein Wohnquartier errichten.

BASF und Novartis betonen «verantwortungsvolles» Handeln

BASF möchte den Text von Martin Forter nicht kommentieren. Das Unternehmen hält aber fest, als frühere Grundeigentümerin «jederzeit verantwortlich» gehandelt zu haben.

BASF habe mit den Behörden kooperiert und ihren Geschäftspartnern, insbesondere der heutigen Eigentümerin des Klybeck-Areals, alle vorhandenen und sehr detaillierten Daten und Informationen zum Areal geliefert, «damit sie zuverlässig abschätzen konnte, was bezogen auf die Belastungen des ehemaligen Produktionsareals im Rahmen der Arealentwicklung zu erwarten ist».

Auch die Novartis als zweite frühere Eigentümerin betont in einer Stellungnahme die enge Zusammenarbeit mit den Behörden und ihren Geschäftspartnern sowie die steten Bemühungen, «verantwortungsvoll zu handeln».

Das Klybeck-Areal sei «mehrfach umfassend hinsichtlich möglicher Belastungen des Untergrunds und des Grundwassers» untersucht worden, schreibt Novartis. Es gelte als belastet und überwachungsbedürftig.

Abgesehen von einem Chlorbenzol-Schaden in einem Teilbereich bestehe zurzeit laut Altlastenverordnung kein Sanierungsbedarf. Für die Sanierung dieser spezifischen Altlast seien weiterhin die früheren Grundeigentümerinnen Novartis und BASF verantwortlich.

Was die künftige Entwicklung des Klybeck-Areals zu einem neuen Stadtquartier angeht, weist Novartis die Verantwortung von sich. Diese liege bei den neuen Eigentümerinnen, die das Projekt «im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und in enger Kooperation mit dem Kanton vorantreiben werden».

Katastrophale Bedingungen

Das Basler Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) legte bereits zu einem früheren Zeitpunkt gegenüber OnlineReports seine Sicht dar.

Das Amt für Umwelt und Energie richte sich nach der Altlastenverordnung des Bundes. Diese sehe eine Suche nach einzelnen Stoffen nicht vor, hielt WSU-Sprecherin Sonja Körkel fest.

Im Sinne eines Screenings fasse man chemische Stoffe oder Verbindungen, die als einfach zu erfassende Messgrösse stellvertretend für eine Vielzahl von Schadstoffen gemessen werden, zusammen. Diese sollen Aufschluss darüber geben, welche Stoffe vorhanden sind und in welcher Konzentration. Erst bei positivem Befund würden weitere Untersuchungen durchgeführt.

Klybeck
Der Schriftzug Klybeck am Basler Klybeck-Quai. - keystone

Durch die Verlagerung der Produktion nach China und Indien habe die Branche Arbeitskosten, aber auch 10 bis 15 Prozent Umweltkosten pro Kilo Produkt eingespart, zitiert Forter den ehemaligen Umweltschutzchef der Ciba SC, Peter Donath.

Die Branche nehme in Kauf, in Asien unter katastrophalen arbeitshygienischen und umwelttechnischen Bedingungen zu produzieren.

Eine wahre Fundgrube

Martin Forters Text ist in «Stadträume. Offen und begrenzt, gestaltet und umkämpft» ab heute für alle einsehbar. Die neuen Bände 8 und 9 zur Stadtgeschichte aus dem Christoph Merian Verlag sind eine wahre Fundgrube mit einem breiten Themenfächer.

Beide Bände befassen sich in mehreren Texten mit den Bereichen Chemie, Pharma und Life Sciences. Die verstorbene Journalistin Toya Maissen brachte es in den 1980er-Jahren auf den Punkt: «Ob es uns passt oder nicht, die Region Basel und die Basler Chemie leben in einer Ehe, für die es keine Scheidungsmöglichkeit gibt.»

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Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.

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