Jede zweite IV-Rente geht auf psychisches Problem zurück
Immer mehr Arbeitnehmer sind erschöpft, Travail Suisse spricht von einem Alarmzeichen. Und es zeigt sich auch bei den IV-Renten.
Das Wichtigste in Kürze
- Mehr als 40 Prozent der Arbeitnehmer sind oft erschöpft.
- Hunderttausende erwägen wegen Stress einen Jobwechsel.
- Rund die Hälfte der IV-Renten werden wegen psychischen Problemen ausbezahlt.
Die Schweiz leidet unter einem Fachkräftemangel. Dies hat für Arbeitnehmende Folgen – positive wie auch negative. Travail Suisse zeigt dies zusammen mit der Fachhochschule Bern in einer Studie auf.
Der Dachverband der Arbeitnehmenden schreibt in einer Medienmitteilung, dass die Arbeitsplatzsicherheit steigt. So machen sich laut der repräsentativen Umfrage weniger als die Hälfte der Arbeitnehmer Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Zudem schätzen sie ihre Chancen, eine neue Stelle zu finden, sollte dies notwendig sein, als gut ein.
Und das wollen 820'000 Angestellte ausnutzen, sie erwägen einen Jobwechsel. Der Grund dafür: Stress und psychische Belastung – negative Folgen des Fachkräftemangels.
Der Stress zeigt sich in der Umfrage: Über 60 Prozent geben an, regelmässig in der Freizeit zu arbeiten, die Hälfte leistet oft Überstunden. Und ein Drittel arbeitet mehr als das Wunschpensum. Laut Travail Suisse führt dies zu einem «Höchststand an Erschöpfung».
Die Zahlen dazu: 41,3 Prozent sind nach der Arbeit oft oder sehr häufig erschöpft. Ein Drittel sind zu erschöpft, um sich um private oder familiäre Angelegenheiten zu kümmern. Diese Anteile hätten in den letzten Jahren stetig zugenommen.
Dies zeigt sich auch bei der Invalidenversicherung: Erstmals sind psychische Probleme der Hauptgrund für Neurenten. Mehr als die Hälfte der Bezüger machen psychische Probleme geltend. Bei den 18- bis 24-Jährigen sind es laut der «Aargauer Zeitung» gar 60 Prozent.
Anzahl IV-Bezüger rückgängig
Ob die IV-Rente wegen psychischer Probleme mit der zu hohen Arbeitsbelastung zusammenhängt, ist unklar. Gabriel Fischer von Travail Suisse aber sagt: «Arbeit macht einen grossen Teil des Lebens aus. Steigt in diesem Bereich die Belastung, hat das einen direkten Einfluss auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit.»
Für den steigenden Anteil an IV-Renten wegen psychischer Probleme sieht Andreas Dummermuth, Leiter der IV-Stelle Schwyz, eine andere Möglichkeit: die Tertiärisierung. Es arbeiteten immer mehr Menschen in Dienstleistungsbetrieben, immer weniger auf Bauernhöfen und in Fabriken. Dadurch sinke der Anteil der Arbeitsunfälle als IV-Ursache.
Dafür spricht auch, dass die Gesamtzahl der IV-Bezüger in den letzten Jahren abgenommen hat. Sie hat sich bei vier Prozent der Bevölkerung eingependelt.
Travail Suisse-Präsident Adrian Wüthrich spricht dennoch von einem «absoluten Alarmzeichen». Er fordert das neue Parlament auf, in der kommenden Legislatur Lösungen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden zu erarbeiten.