Kanton Thurgau will kostenpflichtige Schule bei schlechtem Deutsch
Der Kanton Thurgau will Eltern, deren Kinder nicht gut Deutsch sprechen, zur Kasse beten. Damit ist der Weg für einen neuen Bildungsstreit geebnet.
Das Wichtigste in Kürze
- Geht es nach dem Kanton Thurgau, soll die Schule nicht mehr in jedem Fall kostenlos sein.
- Eltern, deren Kinder nicht gut Deutsch sprechen, sollen nämlich zahlen müssen.
- Mit einer Standesinitiative will der Kanton die Bundesverfassung ändern.
Im Artikel 19 der Bundesverfassung steht unmissverständlich geschrieben: Der Volksschulunterricht muss unentgeltlich sein. Das Thurgauer Parlament möchte diesen Artikel nun aber relativieren und so die Möglichkeit erwirken, Eltern von schlecht integrierten Kindern zur Kasse zu beten. Konkret sollen fremdsprachige Eltern für den Deutschunterricht ihrer Kindergartenkinder aufkommen müssen, wenn sie deren vorschulische Sprachförderung verpasst haben, schreibt der «Tages-Anzeiger». Aus dem Osten heisst es, man wolle mit der Massnahme Ausländer nicht generell abstrafen, «sondern vermeidbare und folgenschwere Sprachdefizite der Kinder beheben», so Schulleiter und SVP-Kantonsrat Andreas Schepfer.
Nach dem Aufruhr um das Frühfranzösisch entfacht der Kanton Thurgau damit zum zweiten Mal innert weniger Jahre einen Bildungsstreit. Und wie vor fünf Jahren soll nun auch die Frage auf nationaler Ebene geklärt werden. Deshalb verabschiedete das Kantonsparlament im Januar mit grosser Mehrheit eine Motion, die den Regierungsrat mit einer Standesinitiative beauftragt. Ziel ist es, die Bundesverfassung zu relativieren.
Während das Vorhaben im Thurgau auf breite Unterstützung zählen kann, sieht das Ganze in Bundesbern etwas anders aus. Unisono sind sich die politischen Lager zwar einig, dass es bei den schlechten Deutschkenntnissen vieler Kinder Handlungsbedarf gibt, doch eine Verfassungsänderung geht für viele zu weit. «Der Thurgau soll sich besser daran orientieren, wie andere Kantone in ihren Volksschulgesetzen mit dem Problem umgehen», rät zum Beispiel CVP-Bildungspolitikerin Andrea Gmür.