Kids beissen und beschimpfen Betreuer – Eltern «überfordert»
Viele Eltern sind durch den gestiegenen Lebensunterhalt überfordert mit der Erziehung ihrer Kinder. Diese tendieren häufiger zu respektlosem Verhalten.
Das Wichtigste in Kürze
- Respektloses Verhalten von Kindern gegenüber Betreuungs- und Lehrpersonen nimmt zu.
- Ein Grund dafür ist, dass viele Eltern überfordert sind mit der Erziehung.
- Auch gesellschaftliche Vorbilder spielen eine grosse Rolle.
«Das Verhalten der Kinder ist frecher geworden und der Respekt gegenüber Betreuungs- und Lehrpersonen geht zunehmend verloren.» Diesen Eindruck hat Fabian W.* nach seinem siebenmonatigen Zivildiensteinsatz in einer Tagesschule.
«Ich erlebte mehrmals, dass ein Kind zu schlagen und beissen begann, wenn es etwas nicht bekommen hatte. Schon in jungem Alter warfen mir einige zudem üble Schimpfwörter an den Kopf», erzählt der 22-Jährige. Mit Blick zurück auf seine eigene Schulzeit stellt der junge Mann besorgt fest: «Wir hätten uns das gegenüber Betreuungspersonen niemals getraut.»
Sind die Kinder in den letzten Jahren tatsächlich respektloser geworden? Verena Röthlisberger, Präsidentin des Vereins Berner Tagesschulen, stellt gegenüber Nau.ch zunächst klar: «Kinder sind nicht respektlos, ihr Verhalten ist es.»
Denn: Kinder mit unerwünschtem Verhalten würden stärker wahrgenommen werden, gerade auch weil sich die grosse Mehrheit anständig verhalte. «Aber es stimmt, die erste Gruppe ist in den letzten Jahren gewachsen», so die Präsidentin. Heisst: Es gibt tatsächlich mehr Kinder, die sich respektlos aufführen.
«Eltern sind oft überfordert mit der Erziehung»
Eine Erklärung sei, dass das Leben komplexer geworden ist. «Eltern sind oft überfordert mit der Erziehung, wenn sie gleichzeitig für den gestiegenen Lebensunterhalt der Familie sorgen müssen. Erziehung ist eine schwierige Aufgabe, wofür es leider keine Ausbildung gibt.»
In früheren Lebensformen habe sich oft das ganze Dorf um die Erziehung gekümmert. Heute fände diese nur noch in Kleinfamilien statt, in denen die Heranwachsenden eine ganz zentrale Rolle einnehmen.
«Sie werden geliebt, ihre Wünsche sollen erfüllt werden – dies führt dazu, dass die Kinder weniger Grenzen erleben. Dabei wäre gerade das ein wichtiges Ziel der Erziehung», führt die Präsidentin aus.
Eine grosse Rolle spielten auch Personen aus der Öffentlichkeit. Wie etwa Donald Trump, der sich respektlos verhält. «Die Grenze, welches Verhalten in der Gesellschaft toleriert werden kann, hat sich stark verschoben», sagt Röthlisberger.
Dass sich Erwachsene selbst ihrer Vorbildfunktion bewusst sind, ist auch gleich einer der Verbesserungsansätze, die Verena Röthlisberger nennt. «Dazu gehört auch, dass wir nicht wegschauen, wenn wir in der Öffentlichkeit unangebrachtes Verhalten beobachten. Sondern uns einmischen und klar Stellung beziehen.»
* Name von der Redaktion geändert.