Kinderbücher mit KI gemacht: Autor warnt vor Folgen
Ein deutscher Kinderbuchautor kritisiert, dass auf Amazon KI-generierte Kinderbücher verkauft werden. Das Phänomen ist auch in der Schweiz angekommen.
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Das Wichtigste in Kürze
- Auf Amazon und anderen Online-Verkaufsportalen werden KI-generierte Kinderbücher verkauft.
- Das kritisiert ein Kinderbuchautor und Illustrator auf Instagram.
- Auch bei Orell Füssli sollen solche KI-Bücher im Umlauf sein, berichten User.
Es gehört zum Ritual vieler Familien in der Schweiz: Abends vor dem Einschlafen blättert man gemeinsam durch ein Buch.
Und so boomt auch der Markt mit Kinderbüchern. Doch nicht immer sind die Erzeugnisse, die man kaufen kann, von guter Qualität.
Das kritisiert der deutsche Kinderbuchautor und Illustrator Michael Mantel in einem Instagram-Video.
Sein Vorwurf: Onlineshops verkaufen KI-generierte Kinderbücher, ohne sie als solche zu deklarieren.
Geht nur «darum, schnelles Geld zu machen»
Mantel kritisiert bei Nau.ch: «Auf Plattformen wie Amazon tauchen in letzter Zeit Kinderbücher auf, die zumindest teilweise, oft anscheinend, aber auch komplett KI-erstellt sind.»
Dahinter stecken würden Leute, die «anscheinend gar nicht aus der Kinderbuchbranche stammen».
Für ihn ist klar: Der «KI-Scheiss» ist nicht dazu da, Kindern eine Freude zu machen. Es gehe «nur ums Business und darum, schnelles Geld zu machen».
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Mantel erklärt: «Man sieht es unter anderem an den Bildern und Texten, die oft wirklich schlecht sind. Natürlich sehen die Buchcover auf den ersten Blick oft ‹hübsch› aus, aber das ist auch alles.»
Käufern werden professionelle Kinderbücher vorgegaukelt
Er spricht sogar von «Betrug» – weil «den Menschen hier professionelle Kinderbücher vorgegaukelt werden», erklärt der Kinderbuchautor.
In Wirklichkeit handle es sich aber oft um inhaltsschwache Selfpublishing-Bücher.
Kein Verständnis für die Kritik hat Cedric Mattig. Er wirbt auf Instagram aktiv für die Möglichkeit, mit KI-generierten Selfpublishing-Büchern Geld zu verdienen. Und wird dafür kritisiert – auch von Kinderbuchautor und Illustrator Michael Mantel.
Mattig rechtfertigt sich gegenüber Nau.ch: «Kinderbücher über Amazon zu verkaufen, egal ob mit KI-Unterstützung oder ohne, ist natürlich kein Betrug.»
Hat die Qualität eines Buches damit zu tun, ob KI im Spiel war?
Die Qualität eines Kinderbuches hänge nicht damit zusammen, ob KI im Spiel war, findet Mattig. Denn: «Es gibt hervorragende KI-erstellte Bücher und es gibt ungenügende Bücher, die ein Mensch geschrieben hat.»
Michael Mantel kritisiert aber nicht nur schlechte Qualität, sondern auch Urheberrechtsverletzungen. «Die dahinterstehenden Unternehmen verwenden für das Training ihrer Programme urheberrechtlich geschützte Werke.»
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Heisst: «KI verwendet also unter anderem unsere Illustrationen. Wir werden aber weder gefragt noch entschädigt.»
KI-Kinderbücher psychologisch bedenklich
Doch damit nicht genug: Der Kinderbuchautor warnt auch, dass schlechte Kinderbücher psychologisch bedenklich sind.
«Es gibt zum Beispiel viele sogenannte ‹Mutmachbücher›. Ich habe mir eines dieser Bücher gekauft und jemandem gezeigt, der viele Jahre als Familientherapeut arbeitet», sagt Mantel.
«Der Therapeut war erschrocken, wie viel in diesem Buch von Angst die Rede ist. Das Kind im Buch hat quasi vor allem Angst, sogar vor dem eigenen Vater.»
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Mantel vergleicht: «Jeder Autositz durchläuft zahlreiche Prüfverfahren. Aber ein Kinderbuch darf offensichtlich jeder veröffentlichen, völlig ohne Kontrollinstanzen.»
Seine Kritik richte sich sowohl an die Macher der KI-Bücher als auch an Plattformen, die sie undeklariert verkaufen.
Zu dieser Kritik nichts sagen will Amazon. Der Onlineriese verweist gegenüber Nau.ch lediglich auf seine Inhaltsrichtlinien.
In diesen steht zum Thema KI: «Wir bitten Sie, uns über KI-generierte Inhalte (Text, Bilder oder Übersetzungen) zu informieren. Dies, wenn Sie ein neues Buch veröffentlichen oder ein vorhandenes Buch bearbeiten und erneut veröffentlichen.»
Michael Mantel streitet indes ab, dass er die KI-Bücher aus Furcht vor der Konkurrenz kritisiert.
«Ob meine Verlage dadurch weniger Bücher verkaufen, wage ich zu bezweifeln. In den Buchhandlungen zum Beispiel tauchen solche KI-generierten Bücher bislang eher selten auf.»
Aber man müsse auch sagen, «dass Personen in der Kinderbuchbranche selten von ihren Büchern leben können».
Verkaufen auch Schweizer Bücherläden KI-Bücher?
Doch nicht nur Onlineshops sollen KI-Kinderbücher anbieten. Auf Instagram behauptet eine Orell-Füssli-Kundin, auch das Schweizer Buchgeschäft habe sie im Angebot.
Gegenüber Nau.ch will das Unternehmen dies nicht bestätigen.
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Ein Sprecher sagt lediglich: «Es gibt keine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte. Wir haben keinen Einfluss auf die Erstellung oder Bearbeitung von Büchern und deren Inhalten.»
Als Buchhändler könne Orell Füssli «nicht überprüfen, ob ein Text mithilfe von künstlicher Intelligenz erstellt wurde».
Das Geschäft könne auch nicht kontrollieren, ob es solche Bücher im Sortiment hat.
Möglich also, dass die Instagram-Nutzerin recht hat.
Spielt KI in Literatur immer grössere Rolle?
Auch der Schweizer Buchhandels- und Verlags-Verband erklärt, keinen Einfluss auf den Einsatz von KI zu haben. Das würden Urheberinnen und Urheber mit ihren Verlagen regeln.
Geschäftsführerin Tanja Messerli bestätigt jedoch, dass KI teils verwendet wird. «Wir beobachten unterschiedliche KI-Anwendungen – wie auch bewussten und klar deklarierten Ausschluss von KI.»
Aber: «Schweizer Verlage sind für ihre hohe Qualität bekannt. Das setzt aus heutiger Sicht substanzielle und hauptsächliche Arbeit von Menschen am Buch voraus.»
Doch wie sieht es in Zukunft aus? Spielt KI bald eine grössere Rolle in der Literatur?
Michael Stolz, Literaturwissenschaftsprofessor an der Universität Bern, meint dazu: «Die Entwicklungen mit KI sind noch relativ neu und unerforscht.»
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Ob mit KI erzeugte Literatur prinzipiell von schlechterer Qualität sei, lasse sich nicht so einfach sagen.
Stolz erklärt: «Als Literaturwissenschaftler müsste ich ein KI-generiertes Kinderbuch mit einem herkömmlichen Kinderbuch methodisch sorgfältig vergleichen, um etwas über die Qualität herauszufinden.»
Experte staunt über gute KI-Texte
Er staunt jedoch darüber, wie «geschliffen Texte künstlich erstellt werden können». Sprachlich überrascht ihn die KI also positiv.
«In meinen Augen ist es wohl vor allem die Urheberrechtsthematik, die besagtem Kinderbuchautor Sorgen bereitet», sagt Stolz.
Welche Entwicklungen KI in dieser Thematik nehmen werde, lasse sich aktuell noch nicht voraussehen.
Aber: «Literatur war schon immer innovativ. KI kann – jedenfalls bisher – nur aus Vorhandenem kombinieren, also formal und stilistisch nichts Neues und Innovatives schaffen.»