Klimastreiks fordern einen unmöglichen Klimanotstand
In der aktuellen Klima-Diskussion taucht immer wieder die Forderung nach dem Klimanotstand auf. Was dies rechtlich bedeutet, ist nur den wenigsten bekannt.
Das Wichtigste in Kürze
- Neben den Klima-Aktivisten fordert auch SP-Nationalrätin Samira Marti den «Klimanotstand».
- Der Bundesrat soll entscheiden, ob der «Klimanotstand» ausgerufen wird.
- Juristen erklären, was dieser Notstand bedeuten würde.
Die Klimastreiks beschäftigen auf allen Ebenen. Während sich Politiker beinahe die Köpfe einschlagen, fordern Schüler immer wieder den «Klimanotstand». Sogar SP-Nationalrätin Samira Marti unterstützt das Anliegen per Motion an den Bundesrat.
Gestern demonstrierten über 50‘000 Menschen für den #Klimaschutz. Drum fordere ich den Bundesrat auf, die Stimme der Strasse zu hören und sofort den Klimanotstand auszurufen. UNTERSCHREIBEN: 👉 https://t.co/LXCat44WQ6
— Samira Marti (@SamiraMarti) February 3, 2019
Damit werden auch Juristen aufs Tapet gebracht. Denn ein Notstand greift in die Gesetzgebung ein. Doch was würde ein «Klimanotstand» konkret bedeuten?
Rechtsanwältin Ursula Brunner stellt zuerst klar: «Einen festen Begriff Klimanotstand gibt es nicht.» Brunner ist spezialisiert auf Umweltrecht.
Sie hält fest: «Unsere Verfassung kennt keine Bestimmungen über die Ausrufung eines Notstandes.» Nicht so wie in anderen Ländern. Das einzige «Notfallinstrument» in der Schweiz sei eine Bestimmung über die Gesetzgebung bei Dringlichkeit.
Der Bundesrat könnte also in dringenden Fällen sozusagen ein «Notfallgesetz» einführen. Dies in jenen Fällen, wo es möglichst schnell gehen muss.
Der Klimawandel ist weniger gefährlich als die UBS
Auch Rechtsprofessor Johannes Reich von der Uni Zürich hat sich mit dem Notstand auseinandergesetzt. «Es geht um unmittelbare Gefahren für die Öffentlichkeit, bei der die normale Gesetzgebung zu spät wäre.»
Der Bundesrat kann dabei das Gesetzgebungsverfahren abkürzen oder gleichsam überspringen. Typische Beispiele seien Naturkatastrophen, wie Überschwemmungen oder grosse Sturmschäden.
Oder die UBS-Rettung: «Die UBS wäre längst in den Konkurs geschlittert, hätte man zuerst ein Bundesgesetz durchberaten und ein allfälliges Referendum abwarten müssen.» Der Bundesrat erliess eine Verordnung zur Rettung der UBS, weil das eigentlich notwendige Bundesgesetz zu spät gekommen wäre.
Im Falle der Klimastreiks scheint ein «Klimanotstand» also unrealistisch. Rechtsanwältin Ursula Brunner gibt den Streikenden jedoch einen Hoffnungsschimmer, «dass der Druck auf ein wirksames CO2-Gesetz nun wächst.»