Krafttraining: Unfälle haben sich innert zehn Jahren verdoppelt
Wenn nach dem Training die Schulter oder das Knie schmerzt: Verletzungen beim Krafttraining nehmen zu. Nicht zuletzt auch, weil sich Trainierende überschätzen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Anzahl der Unfälle beim Krafttraining hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt.
- Die häufigsten Verletzungen sind Verstauchungen, Zerrungen und Sehnenrisse.
- Wer Verletzungen vermeiden will, sollte seine eigenen Grenzen beachten.
Übertreiben es die Leute beim Krafttraining?
In den letzten 20 Jahren haben immer mehr Schweizerinnen und Schweizer Gewichte in die Höhe gestemmt. Seit der Coronapandemie hat Krafttraining weiter zugelegt. Das bestätigen Untersuchungen des Bundesamts für Sport.
Was damit auch steigt: die Anzahl der Verletzungsfälle.
Immer mehr verletzten sich Schultern und Oberarme
Zahlen, die die Unfallversicherung Suva Nau.ch zur Verfügung gestellt hat, zeigen: Die Unfälle beim Training mit Kraftgeräten, Hanteln und Gewichten haben sich in den letzten zehn Jahren beinahe verdoppelt.
Jährlich werden durchschnittlich rund 2000 Fälle verzeichnet. Verletzungen beim Training ausschliesslich mit dem Körpergewicht wie Liegestützen werden in der hochgerechneten Statistik nicht miteinbezogen.
Besonders auffällig ist die Häufigkeit bestimmter Verletzungen: Verstauchungen, Zerrungen und Sehnenrisse machen mit 45,5 Prozent den Grossteil aus. Davon betreffen 16 Prozent die Schulter oder den Oberarm.
Darüber hinaus treten auch oberflächliche Verletzungen und Prellungen (24 Prozent) sowie Frakturen (10,5 Prozent) häufig auf.
In 56 Prozent der Fälle entstehen die Unfälle durch Überlastung. Als Beispiele nennt die Suva Verletzungen am Oberschenkelmuskel nach Kniebeugen, plötzliche Schulterschmerzen nach Brustpressen sowie Knieschmerzen nach Beinpressen.
Die übrigen Unfälle passieren, weil Trainierende zum Beispiel von Hanteln getroffen werden, sie an Geräten abrutschen oder das Gleichgewicht verlieren.
Experten betonen aber, dass Krafttraining nicht grundsätzlich gefährlich ist. Die steigende Anzahl von Unfällen könnte vielmehr auf die wachsende Anzahl von Personen zurückzuführen sein, die sich dem Krafttraining widmen.
Genug Erholung und Adaption entscheidend
Muskel-Experte Silvio Lorenzetti ist Leiter des Ressorts Leistungssport an der Eidgenössischen Hochschule für Sport in Magglingen. Er sagt zu Nau.ch: «Aufgrund der langsamen und kontrollierten Bewegungen ist das Verletzungsrisiko beim Krafttraining sogar geringer als in den meisten anderen Sportarten.»
Um Verletzungen zu vermeiden, sei eine professionelle Trainingsplanung wichtig. «Man muss zudem seine eigenen Grenzen kennenlernen und diese auch respektieren.»
Grundsätzlich unterscheide sich das Krafttraining in dieser Hinsicht nicht von anderen Sportarten. «Es erfordert Zeit, sich einzuarbeiten und die Techniken sowie Grundlagen wie die Stabilisierung des Körpers zu erlernen.»
Er erklärt: «Gerade zum Jahresbeginn gibt es viele neue Anfängerinnen und Anfänger im Kraftraum. Viele davon verlieren rasch die Motivation. Andere sind ungeduldig und wollen sich schnell steigern. Dabei geben sie ihrem Körper nicht die nötige Zeit zur Erholung und Adaption.»
Verletzungen würden vor allem bei Selbstüberschätzung, zu viel Zusatzgewicht, der falschen Übungsausführung oder dem falschen Gebrauch der Geräte entstehen.
Nicht nur das Gewicht zählt beim Krafttraining
Gommaar D'Hulst, Professor für Bewegung und Gesundheit an der ETH Zürich, bestätigt: «Der Muskel braucht Erholung. Mehr als dreimal pro Woche dieselbe Muskelgruppe zu trainieren, bringt keine Fortschritte und ist damit ineffizient.»
Das sei nicht der einzige Fehler, der häufig begangen werde.
«Viele fokussieren zu sehr aufs Gewicht und vergessen die Anzahl der Wiederholungen.» Es könnten teilweise sogar grössere Erfolge erzielt werden, wenn man mit weniger Gewicht trainiert, dafür länger durchhält.
Dazu komme: «Nach einer inaktiven Phase, sei es durch Ferien oder eine Verletzungspause, sollte das Training lieber gemächlicher angegangen werden: mit weniger Gewicht oder weniger Wiederholungen.» Ansonsten steige auch das Verletzungsrisiko.