«Länger auf Feld» – Zu viel Arbeit: Bauern streichen jetzt Zmittag
Bauern haben einen Knochenjob. Doch immer häufiger lassen sie Mahlzeiten aus – um mehr Zeit auf dem Feld oder für Büroarbeiten zu haben. Ein TV-Bauer berichtet.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Landwirtschaft arbeitet man im Durchschnitt 50 Stunden pro Woche.
- Regelmässige Pausen und Mahlzeiten sind bei der körperlichen Arbeit eigentlich zentral.
- Doch immer häufiger lassen Bauern Mahlzeiten aus, weil ihnen die Zeit fehlt.
- Der Fachkräftemangel und die zunehmende Bürokratie befeuern das Phänomen.
Kaum Ferien, unregelmässige Freitage und Schlafmangel: Wer einen Bauernhof führt, hat oft jede Menge Stress und kaum Zeit, um abzuschalten.
«Die Betriebsleiter werden zu Sklaven des eigenen Betriebs.» So fasst es Andri Kober, Präsident des Bäuerlichen Sorgentelefons, in einem kürzlich erschienenen Interview mit dem «Schweizer Bauer» zusammen.
Und damit nicht genug: In der Kommentarspalte melden sich Bauern zu Wort, die sogar Mahlzeiten auslassen. So schreibt einer: «Ich habe angefangen, das Mittagessen auszulassen. Seither habe ich weniger Stress.» Dafür erhält er acht Daumen nach oben.
Ein zweiter schreibt – vermutlich ironisch: «Morgen- und Abendessen werden ebenfalls völlig überschätzt. Da bin ich lieber im Büro und schaue, dass auch die Beamten der Verwaltungen beschäftigt sind.»
Bauer: «Arbeit kann nicht stehen gelassen werden»
Der St. Galler Acker- und Gemüsebauer Niklaus (32) kann diese Erfahrungen bestätigen. Der Bauer, der Ende August in der Jubiläums-Staffel von «Bauer, ledig, sucht» auf 3+ seine Herzensdame sucht, sagt zu Nau.ch: «Es gibt leider Tage, an denen es schwierig ist, Pausen einzulegen und das Zmittag zu sich zu nehmen.»
Das komme gerade vor, wenn es viel Arbeit gebe, die nicht einfach stehengelassen werden kann. Insbesondere in der Erntezeit. «Wenn, wie dieser Sommer, ständig das Wetter wechselt, sind die Zeitfenster für Erntearbeiten klein.» Diese gelte es auszunützen.
Um nicht zu verhungern, greift Niklaus in solchen Fällen zu einem Sandwich. «Wenn ich gar nichts esse, wird mir schnell schlecht und ich habe keine Energie mehr.»
Und diese Ausnahme-Tage nehmen in der Tendenz zu. Denn: «Wir Bauern leiden unter dem Fachkräftemangel. Wenn wir kein Personal finden, müssen wir selbst länger auf dem Feld bleiben, um die Arbeit zu erledigen.»
Dazu komme die Bürokratie. «Eine saubere Buchführung ist zentral. Da kommt es immer mal wieder vor, dass man am Mittag etwas nachführen muss.» Auch neue Gesetze und Vorschriften studieren, koste Zeit.
Pausen und regelmässige Mahlzeiten erachtet «Bauer, ledig, sucht»-Niklaus für ein effizientes Arbeiten und eine hohe Motivation eigentlich als zentral. «Das Zmittag ist meine Hauptmahlzeit – da esse ich gerne etwas Richtiges und Warmes.»
Abends nimmt er dafür lieber eine kleine Mahlzeit zu sich. «Wenn ich weiss, der Arbeitstag geht länger als normal, lege ich gegen Abend nochmals eine Pause für eine Mahlzeit ein.»
Junge Bauern passen Essverhalten gesellschaftlichem Trend an
Das Ernährungsverhalten insbesondere junger Bäuerinnen und Bauern hat sich in den vergangenen Jahren verändert und sich dem gesellschaftlichen Trend angeglichen. Das bestätigt Andri Kober, Präsident des Bäuerlichen Sorgentelefons, gegenüber Nau.ch.
«Bei den älteren Generationen war die traditionell geregelte Nahrungsaufnahme noch viel länger fester Bestandteil des Tagesablaufs», so Kober. Heute werde das oft nicht mehr so strikt durchgezogen.
Während der Schulzeit versuchten viele Bauernfamilien, dass sie gemeinsam mit den Kindern die Mahlzeiten am Tisch einnehmen können. «Zwischendurch fällt wohl das Znüni und Zvieri auch zeitgemässer aus», sagt er.
Will heissen: Statt nur Brot, Speck und Käse gibt es jetzt auch mal Früchte, Nüsse oder ein Glacé.
Zudem könne es durchaus vorkommen, dass Bauern Mahlzeiten bewusst auslassen, um den Workflow nicht zu unterbrechen. Oder dass sie sie erst nach Abschluss der Saat oder des Ernteprogramms essen. «Das ist verständlich und macht meines Erachtens letztlich auch praktisch Sinn», sagt Kober.
«Soziale Komponente des Essens nicht vernachlässigen»
Kober appelliert an die Eigenverantwortung und das körperliche Wohlgefühl. «Idealerweise im Kompromiss mit der Bedeutung der sozialen Komponente des regelmässigen zusammen Essens, die nicht vernachlässigt werden sollten.»
Die Bauernorganisation Uniterre hingegen warnt davor, Mahlzeiten zu skippen. «Eine Mahlzeit zu verpassen, ist nicht akzeptabel.» Pausen und Mahlzeiten seien für die nötige Erholung notwendig.
Die Organisation betont: «Die Arbeitsbedingungen sind in der Landwirtschaft besonders hart.» Pro Woche werden in der Landwirtschaft schliesslich durchschnittlich mehr als 50 Stunden gearbeitet.