Viele wollen auf der Alp arbeiten – und schmeissen dann hin
Für Älpler wird es immer schwieriger, die nötigen Arbeitskräfte für den Sommer zu finden. Viele erzählen, wie Hilfskräfte plötzlich ohne Vorwarnung abspringen.
Das Wichtigste in Kürze
- Den Sommer auf einer Alp zu verbringen, ist kein Plausch, sondern harte Arbeit.
- Älpler kämpfen damit, dass Helfer einfach davonlaufen, sobald sie das merken.
- Mit dem Mangel an Arbeitskräften gestaltet sich die Suche nach Ersatz schwierig.
Der derzeitige Mangel an Arbeitskräften betrifft auch die Landwirtschaft und vor allem die Alpbetriebe. Oft fallen Hilfsarbeiter kurzfristig aus – oder werfen von einer Stunde auf die andere das Handtuch. Die Älpler stehen dann mit der Arbeit allein da.
«Ja, es ist effektiv seit einigen Jahren für die Alpen schwieriger geworden, geeignetes Alppersonal zu finden», bestätigt auch Selina Droz, Geschäftsführerin des Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verbands (SAV). Dies liege einerseits am allgemeinen Fachkräftemangel. Auf den Alpen kämen noch andere Faktoren wie «tiefe Entlöhnung, hohe Arbeitsbelastung» dazu.
Mit dem Mangel an Hilfskräften hat auch Christian Näf (36) zu kämpfen. Ihm gehört das «Geissenparadies» im Göscheneralptal UR, zu dem auch ein Alpbetrieb zählt.
«Früher hätte man das nie gemacht!»
«Seit letztem Wochenende fehlen mir vier Leute», sagt er zu Nau.ch. Am Samstag sei eine Hirtin von einer Stunde auf die nächste einfach gegangen. «Sie hat eigentlich alles top gemacht», sagt er über die Zürcherin. Aber offenbar sei es ihr psychisch nicht so gut gegangen.
«Sie hat mich eine halbe Stunde lang vollgeweint – drei Stunden später war sie weg», meint Näf immer noch fassungslos. Er habe gar nicht mit so etwas gerechnet. «Früher hätte man das nie gemacht», meint er.
Der Älpler ist überzeugt: «Im Vergleich zu vor 20 Jahren fehlt bei vielen einfach das Verantwortungsbewusstsein.» Zudem gebe es viele Hilfskräfte, die sich mit falschen Vorstellungen vom romantischen Alpleben im Sommer melden.
Es würden sich zwar viele Leute melden, aber drei Viertel von ihnen könne man «chüblä», meint Näf. Dabei sei das Problem aber nicht, dass diesen gewisse Fähigkeiten oder Erfahrungen fehlen. «In einer früheren Saison war ein Informatiker für mich der Beste von allen Arbeitern – und er hatte keine Ahnung von nichts.»
«Es kommt auf die Einstellung an», ist der Landwirt überzeugt.
Näf ist nicht der Einzige, bei dem «schon mehr als einmal ein Arbeiter» jeden Sommer abspringt. «Ich habe Ähnliches von einem Kollegen mit einer Alp mit 80 Kühen und drei Arbeitskräften gehört. Alle drei sind über Nacht einfach gegangen und haben dem Bauern nur eine SMS geschrieben.»
Verband sucht Lösungen
Das Problem, dass Leute kurzfristig abspringen, ist auch Droz bekannt. «Wichtig zur Vorbeugung wäre eine gute Vorbereitung der Leute, bevor sie auf die Alp gehen», findet sie. Dies sei etwa durch Älplerkurse, bessere Absprachen oder «Kennenlern»-Phasen möglich.
Als weitere Massnahme sieht die SAV-Geschäftsführerin auch eine bessere Schulung der Arbeitgeber, etwa im Umgang mit dem Personal. Um weitere Lösungsmöglichkeiten zu finden, starte der Verband im Sommer ein neues Forschungsprojekt. Dabei geht es auch um die Frage: Welche Faktoren sind ausschlaggebend, um die «Treue» des Alppersonals hochzuhalten?