Männer breiten sich im Zug aus – Leserin muss Beine hochziehen
Eine Pendlerin sitzt immer wieder mit angezogenen Beinen im Zug. Der Grund? Weit ausgestreckte Männerbeine. Ein klassischer Fall von «Manspreading».
Das Wichtigste in Kürze
- Auf ihren Pendelreisen muss eine Nau.ch-Leserin immer wieder ihre Beine anziehen.
- Denn die männlichen Gegenüber strecken ihre Beine bis unter den Sitz der Leserin.
- Dieses «Manspreading» sei ein Zeichen von Macht, so eine Knigge-Expertin.
Am Anfang findet sie es noch lustig. «Was soll denn das? LOL», denkt sich die Baslerin Marie M.* (28) und macht ein Foto.
Sie sitzt im Zug mit hochgezogenen Beinen auf ihrem Platz. Vor ihr erstrecken sich lange Männerbeine bis unter ihren Sitz.
Was als Einzelfall beginnt, hat sich mittlerweile zu einer Serie entwickelt. Insgesamt viermal erlebt die Nau.ch-Leserin innert der letzten drei Monate genau diese Situation: sogenanntes «Manspreading» in den SBB-Zügen.
«Ich fühle mich eingeengt»
«Manspreading» – männliches Beinspreizen – beschreibt die Sitzposition, in der Männer mit weit gespreizten Beinen übermässig viel Raum einnehmen. Im Fall der Pendlerin hatten die Männer ihre Beine eher ausgestreckt als gespreizt, übermässig viel Platz beanspruchten sie aber definitiv.
Die Leserin erzählt, sie sässe ab und an gern mit angewinkelten Beinen auf ihrem Sitzplatz. «Aber nur, weil ich den Raum vor mir aktuell nicht benutze, ist es ja wohl immer noch mein Raum!»
Die vier Männer seien jeweils in ihr Abteil gekommen und hätten den «freien» Platz vor ihr bereitwillig mit ihren Beinen beschlagnahmt.
«Ich fühle mich eingeengt», meint die Pendlerin zu den Vorfällen. «Bei dem einen Mann habe ich meine Beine demonstrativ heruntergenommen – er hat es nicht einmal bemerkt.» Ihre Beine hätten sich sogar berührt. Erst nach einer Weile zog der Mann die seinen zurück.
«Macht, Bequemlichkeit und Rücksichtslosigkeit»
Birte Steinkamp ist Trainerin für Business-Etikette und im Vorstand der Deutschen-Knigge-Gesellschaft. Auf die Frage, wieso Männer sich so ausbreiten, meint sie: «Macht, Bequemlichkeit und Rücksichtslosigkeit.»
Für manche Männer handle es sich um eine bewusste Geste der Überlegenheit. Die Körperhaltung soll Platz einnehmen und Macht ausstrahlen. Dahinter könnte zwar auch Unsicherheit stecken. Doch die Botschaft ist laut Steinkamp klar: «Hier komme (sitze) ich!»
Bei anderen Männern handle es sich eher um eine nie wahrgenommene Angewohnheit. Oder um das fehlende Bewusstsein, was diese Körperhaltung anrichtet.
Manche würden sich keine Gedanken darüber machen, dass sie ihre Mitmenschen mit ihrem «Manspreading» einengen. «Sie sind schlicht und einfach zu bequem, sich um eine für alle akzeptable Sitzhaltung zu bemühen», so die Knigge-Expertin.
Es gibt auch Theorien, die besagen, der männliche Körperbau sei die Ursache für «Manspreading». Dazu meint Steinkamp: «Die sind genauso oft widerlegt wie bestätigt worden. Für mich klingen die eher wie ein Freifahrtschein nach dem Motto ‹Wir können ja nicht anders›.»
«Manspreading»: Verbote in Wien und New York
Im Ausland kümmern sich die Bahngesellschaften um die Lösung des Problems. So hängen etwa in den «Wiener Bahnen» Hinweistafeln gegen «Manspreading».
Auch in den U-Bahnen in New York oder in Madrid hängen Schilder, die spreizende Männerbeine verbieten. Anders bei uns: Von solchen Schildern will die SBB nichts wissen.
Es sei nichts dergleichen geplant, heisst es auf Anfrage. Zudem hätte die SBB noch nie «Manspreading»-Beschwerden erhalten.
Wie kann man sich also selbst gegen «Manspreading» wehren?
Soziologe Paul Scheibelhofer rät in seinem Buch «Der Pendler-Knigge» zu einer dreistufigen Strategie: «Teilen Sie dem Mann (laut, deutlich und nicht entschuldigend) mit, dass er zu viel Raum einnimmt. Sagen Sie ihm, welche negativen Konsequenzen das für Sie hat. Und schliessen Sie mit einer klaren Aufforderung ab, wie er sein Verhalten ändern soll.»
*Name von der Redaktion geändert