Medikamentenversuch von 1957 in Herisauer Klinik bleibt ungeklärt

Keystone-SDA
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Herisau,

Die vor zwei Jahren bekannt gewordenen Versuche mit dem Antidepressivum «Tofranil» an 16 Patienten der Psychiatrischen Klinik Herisau AR im Jahr 1957 bleiben ungeklärt.

Krankenbett in einem Spital
Nach einer Medikamentenallergie wird der 82-jährige iranische Oppositionspolitiker Mir Hussein Mussawi im Krankenhaus behandelt, sein Zustand ist jedoch stabil. (Symbolbild). - Keystone

Dies gaben Uwe Herwig, Chefarzt des Psychiatrischen Zentrums Appenzell Ausserrhoden (PZA), Staatsarchivarin Jutta Hafner und Ratsschreiber Roger Nobs am Montag in Herisau bekannt.

Nachforschungen in Archiven brachten keine neuen Dokumente zu Tage.

Der Ausserrhoder Fall war Mitte 2016 im Zuge von Forschungen zu Medikamententests im Kanton Thurgau bekannt geworden.

Nummern statt Namen

Zwei Briefe der Direktion der «Appenzell Ausserrhodischen Heil- und Pflegeanstalt» - so hiess die Psychiatrische Klinik in Herisau damals - belegen, dass im Jahr 1957 Herisauer Ärzte an 16 Patienten das Antidepressivum G22355 testeten. Die Patienten wurden nicht mit Namen, sondern mit Nummern bezeichnet.

Die ersten Beobachtungen seien «so ermutigend, dass wir sehr gern das Präparat auf etwas breiterer Basis ausprobieren möchten», schrieb der Klinikdirektor an die Herstellerfirma Geigy. 1958 kam das Medikament als «Tofranil» auf den Markt. Es wurde laut Herwig zu einem «Meilenstein in der Behandlung von Depressionen».

Das Dokument, das heute im Staatsarchiv Thurgau liegt, sei eine zusammenfassende Berichterstattung über die Herisauer Medikamentenversuche, «die heutigen Ansprüchen an Wissenschaftlichkeit nicht mehr genügen würde», hiess es an der Medienkonferenz.

Patientin verstorben

Von den 16 Personen, an denen G22355 getestet wurde, starb eine Patientin eine Woche nach Absetzung des Medikaments. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Medikamententest und dem Tod der Patientin könne «aus ärztlicher Sicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden», sagt Chefarzt Uwe Herwig.

Die Sache habe ihn persönlich sehr interessiert und beschäftigt. Die Hauptfrage sei, ob damals Patienten geschädigt geworden seien. Dies ist ebenso ungeklärt wie die Frage, ob die betroffenen Patienten oder deren Angehörige ihr Einverständnis zu den Versuchen gegeben hatten.

Der Name der verstorbenen Patientin konnte anhand des Todesdatums im Todesregister der Gemeinde Herisau eruiert werden. Auch ihr Patientendossier wurde gefunden. Die Namen der übrigen 15 betroffenen Patienten sind unbekannt. Laut Roger Nobs ist «nicht auszuschliessen, dass noch Menschen leben, die vor 61 Jahren Teil der Versuchsreihe waren».

Lückenhaft dokumentiert

Trotz gezielter Suche in den vergangenen zwei Jahren kamen keine Direktionsakten und keine Forschungsdokumente zu den Medikamentenversuchen von 1957 zum Vorschein. Die Medikamentenbücher, in denen die Medikamente der Patienten festgehalten wurden, seien lückenhaft.

Die Quellenlage sei «aus medizinhistorischer Sicht sehr unbefriedigend, die damaligen Vorgänge sind heute kaum mehr nachvollziehbar», hiess es an der Medienkonferenz. Neben dem rekonstruierten Einzelfall der verstorbenen Patientin bestehe wenig Hoffnung auf neue Erkenntnisse zu den anderen 15 Betroffenen.

Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass in Herisau weitere Medikamente vor ihrer Zulassung getestet worden wären. Forschungen der Pharmaindustrie hätten vorwiegend an den psychiatrischen Universitätskliniken stattgefunden und nicht an einer kleinen ländlichen Klinik wie Herisau.

Geigy-Archiv unter Verschluss

Die PZA und der Kanton wollen das Thema aber weiter im Auge behalten, besonders die laufenden Forschungen im Kanton Thurgau zum gleichen Thema. Neue Erkenntnisse könnte das Firmenarchiv von Geigy liefern, das heute Novartis gehört. Der Konzern gewährt den Ausserrhoder Verantwortlichen bisher aber keinen Zugang zum Archiv.

Der Kanton habe die Verantwortung, den Medikamentenversuch von 1957 so genau wie möglich transparent zu machen, erklärte der Ausserrhoder Ratsschreiber. Heute sei es weltweit Standard, dass an Versuchen nur urteilsfähige Personen teilnehmen dürften, die dies freiwillig und umfassend informiert tun.

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