Meere werden immer wärmer: Wer verliert – und wer gewinnt
28,71 Grad im Mittelmeer. In Florida sollen gar 38 Grad gemessen worden sein. Eine Meeres-Forscherin erklärt die Konsequenzen der hohen Wasser-Temperaturen.
Das Wichtigste in Kürze
- Letzte Woche herrschten im Mittelmeer Rekordtemperaturen.
- Eine Meeres-Forscherin erklärt, welche Lebewesen es wegen der Erwärmung schwierig haben.
- Zudem prognostiziert Meike Vogt, wie das Meer der Zukunft aussehen könnte.
Letzte Woche wurde der Wasser-Rekord im Mittelmeer gebrochen. Die durchschnittliche Temperatur an der Wasseroberfläche betrug unglaubliche 28,71 Grad . Die Messungen des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus ergaben die höchste jemals im Mittelmeer gemessene Tagestemperatur.
Die Zahl sorgt weltweit für Schlagzeilen – kommt es bald zum grossen Tier-Aussterben? Für Nau.ch ordnet die Klimawissenschaftlerin und Meeresökologin Meike Vogt von der ETH ein.
Sie stellt klar: «Diese hohen Temperaturen sind Zeugnis der Häufung von Extremereignissen wie Hitzewellen und bedenklich.» Wenn der Mensch das Klima weiter erwärme, würden gemäss Klimamodellen solche Hitzewellen gehäuft auftreten.
Am meisten Sorgen müsse sich die Menschheit aber nicht um die Lebewesen im Meer machen. Sondern: «Wir sind es, die primär durch die Erwärmung bedroht sind. Das Leben geht weiter, auch ohne uns.»
«Der Planet schert sich nicht darum, ob es unsere Art gibt»
Vogt führt aus, dass es zwar möglich sei, dass viele terrestrische Arten, marine Säugetiere, Seevögel oder Fischarten aussterben. Dies auch, weil sie kein Futter mehr finden.
Aber: «Der Planet hat schon viele Massensterben gesehen, aus verschiedenen Gründen. Die meisten Planktonarten sind Millionen bis sogar mehrere Milliarden Jahre alt. Diese Arten haben schon unglaublich viele verschiedene Umweltbedingungen gesehen im Laufe ihrer Evolution. Und sie sind immer noch da.»
Vogt zeigt auf: Komprimiere man die Erdgeschichte auf einen Tag, so erscheine der Mensch erst in den letzten 1,5 Minuten des Tages. Ihre Schlussfolgerung: «Der Planet schert sich nicht darum, ob es unsere Art gibt oder nicht. Alles was von uns einmal übrigbleiben wird, ist eine Schicht von Beton, Chromstahl und Plastik in den Gesteinen der Zukunft.»
Tiere, die sich nicht anpassen können, habens schwer
Klar: Die Temperatur sei eine Variable, die alle Lebewesen im Meer betrifft. Mühe bereite das wärmere Meer vor allem Lebewesen, die es gerne kühler haben. «Und jenen, die nicht schnell neue Habitate erschliessen können.»
Als Beispiel nennt Vogt etwa Warmwasserkorallen. «Sie können nicht schnell migrieren, weil sie über längere Zeit Riffe formen.» Die «Korallenbleiche» beobachtet man am Great Barrior Riff seit Jahren.
Hinzu kommt: «Wird das Meer heisser, so dehnen sich sauerstoffarme Gebiete aus. Und in diesen können Organismen schlechter atmen.»
Es wird davon ausgegangen, dass sich das Aussterben einiger Arten beschleunigen könnte. Doch es gibt wohl auch Gewinner der Erwärmung.
Das sind die Gewinner unter den Meeres-Bewohnern
Zum Beispiel: «Wir prognostizieren beim Plankton eine Zunahme an Diversität.»
Primär bedroht seien seltene und sehr stark spezialisierte Ökosysteme wie Korallenriffe oder polare Ökosysteme, die nicht genug schnell migrieren können. «Arten, die auf Bedingungen in hohen Breiten spezialisiert sind, könnten verschwinden.»
Dazu gehören etwa «Kaltwasserspezialisten» wie der ikonische Eisbär, Pinguine und polare Fisch- und Planktonarten, die im Meereis angesiedelt sind. Und davon abhängen.
So könnte der Ozean der Zukunft aussehen
In Zukunft könnten zudem viele neue Arten, die optimaler an die sich erwärmende Umwelt angepasst sind, entstehen. «Nach vielen Massenaussterben in der Vergangenheit des Planeten gab es jeweils eine atemberaubende Explosion an Neuerfindungen der Natur.»
Vogt prognostiziert: «Der zukünftige Ozean ist eisfrei und wahrscheinlich stärker geschichtet. Der Meeresspiegel ist höher und das Wasser etwas weniger salzig.»
Man vermute, dass kleinere Planktonarten den Ozean besiedeln werden. Und in tropischen Regionen könnte es zu einer Reduktion der Produktivität kommen. «Gewinner könnten Bakterien und Quallen sein, die sich in warmen, nährstoff- und sauerstoffarmen Gewässern gut vermehren.»