Nadia Brönimann bereut Geschlechtsangleichung – so gehts nun weiter
Das Wichtigste in Kürze
- Die bekannte trans Frau Nadia Brönimann befindet sich in einem Detransitionsprozess.
- Laut einem Oberarzt können jedoch nicht alle Operationen wieder rückgängig gemacht werden.
- Eine Detransition kann ganz unterschiedliche psychische Folgen haben.
Seit ihrer Geschlechtsanpassung vor 26 Jahren gilt Nadia Brönimann als eine der bekanntesten trans Frauen der Schweiz. Doch die 55-Jährige fühlt sich in ihrer weiblichen Identität zunehmend unwohl.
Zwar möchte Nadia Brönimann ihre weibliche Identität nicht aufgeben, aber zumindest teilweise wieder zu ihrer alten Identität als Christian zurück. Sie will detransitionieren.
Kennst du die Begriffe Transition und Detransition?
Die Transition beschreibt eine Abkehr vom biologischen, bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht. Die Detransition bedeutet dementsprechend, dies wieder rückgängig zu machen. Betroffene identifizieren sich dann also wieder mit dem Geschlecht, mit dem sie zur Welt kamen.
«Transition und Detransition können auf mehreren Ebenen stattfinden», erklärt Patrick Gross gegenüber Nau.ch. Als Leiter der Sprechstunde Geschlechterfragen in der Psychiatrie Baselland begleitet er Menschen in Transitions- und Detransitionsprozessen.
«Es gibt eine soziale, juristische und eine medizinische Ebene», sagt Gross. Die soziale Ebene meint hierbei einen Wechsel der Geschlechtsidentität, mit der sich ein Mensch in der Gesellschaft identifiziert.
Auf der juristischen Ebene bedeutet eine Transition den Wechsel des Geschlechts im Personenstandsregister oder im Ausweis. Eine Transition auf medizinischer Ebene meint eine Geschlechtsangleichung durch einen medizinischen Eingriff. Dieser kann hormonell oder operativ erfolgen.
Betroffene haben oft Angst, missverstanden zu werden
Eine Detransition kann ganz unterschiedliche psychische Folgen mit sich bringen. Jan Schulze, Oberarzt der Klinik für Konsiliarpsychiatrie und Psychosomatik am Universitätsspital Zürich, sagt auf Anfrage: «Für manche bedeutet die Detransition eine Erleichterung, da sie sich wieder authentischer fühlen.»
Gleichzeitig seien sie oft mit Schuldgefühlen und Ängsten bezüglich der Reaktionen ihres Umfelds konfrontiert. «Die Sorge, missverstanden oder verurteilt zu werden, lastet oft schwer auf ihnen.»
Für Patrick Gross ist es wichtig, zu verstehen, welche Motivation einen Menschen zur Detransition bewegt. «Dies kann aus innerer Motivation passieren, zum Beispiel, wenn sich eine Person nicht mehr als trans* identifiziert, aber auch durch äussere Einflüsse bedingt sein. Etwa aus psychischer Belastung vor dem Hintergrund von Diskriminierungserfahrungen, aus Angst, wichtige Bezugspersonen zu verlieren oder aufgrund von Komplikationen nach einem medizinischen Eingriff.»
Die innere Gewissheit und die äusseren Einflüsse könnten im Konflikt zueinander stehen, erklärt Gross. Denn: «Nicht alle Menschen, die detransitionieren tun dies, weil sie ihre Transition bereuen. Eine Person, die mit ihrer Transition eigentlich glücklich wäre, kann sich von der Gesellschaft zur Detransition gezwungen fühlen. Dies kann zu einer grossen psychischen Belastung werden.»
Oberarzt Jan Schulze betont: «Die Beweggründe für eine Detransition sind äusserst persönlich und können nicht pauschal bewertet werden.»
Wie geht der Detransitionsprozess von Nadia Brönimann weiter?
Nadia Brönimann trägt seit Neustem wieder kurze Haare. Gegenüber Nau.ch stellt sie aber klar: «Ich will nicht, dass dies falsch bewertet wird – es war nicht der erste Schritt des Detransitionsprozesses.» Ein Kurzhaarschnitt definiere ja nicht automatisch Männlichkeit.
Die innere Auseinandersetzung mit ihrer Geschlechtsidentität dauert schon zwei Jahre, sagt die 55-Jährige. «Der Prozess muss zuerst in einem selber stattfinden, bevor man sich nach aussen hin öffnet. Ich überlege mir allfällige Massnahmen sehr gut. Den Fehler, zu schnell gehandelt zu haben, habe ich schon einmal begangen.»
Hast du deine Geschlechtsidentität schon einmal hinterfragt?
Ihr sei es wichtig, gut in sich reinzuhören, sagt die Autorin. «Ich kann die einzelnen Schritte nicht wie in einem Terminkalender abarbeiten. Der Körper sagt mir dann schon, wozu er bereit ist.»
Nadia Brönimann erklärt gegenüber Nau.ch, wie es nun weitergeht: Vorstellen kann sie sich, eine hormonelle Veränderung vorzunehmen. Momentan sei sie in Abklärung bei einem entsprechenden Arzt.
«Aber ich muss ganz vorsichtig sein: Mein Körper hat sich fast 30 Jahre lang an das Östrogen gewöhnt. Jetzt die Hormone zu ändern, ist nicht einfach.»
Ein erneuter operativer Eingriff ist für Nadia Brönimann kein Thema. «Ich glaube nicht, dass sich die Qualität meines Lebens verbessert, wenn ich meinem Körper wieder acht Operationen antue», erklärt sie.
«Ich habe meinem Körper genügend Schaden zugefügt. Wenn das mein Ziel wäre, hätte ich in den letzten 30 Jahren nichts gelernt.»
Matthias Waldner ist Oberarzt an der Klinik für plastische Chirurgie und Handchirurgie des Universitätsspitals Zürich. Er betont auf Anfrage die Komplexität solcher Eingriffe.
«Insbesondere genitale Angleichungsoperationen können nur bedingt rückgängig gemacht werden, da dabei viel Gewebe entfernt wird.» In vielen Fälle seien komplexe Operationen notwendig.