Narzisstische Stiefmutter terrorisiert Bernerin (40)

Rowena Goebel
Rowena Goebel

Bern,

Seit Jahren leidet eine Bernerin unter ihrer Stiefmutter. Sie lügt, manipuliert und kontrolliert – klare Anzeichen von Narzissmus. Was Betroffene tun können.

Narzissmus
Über Jahre leidet eine Bernerin unter dem Psychoterror ihrer Stiefmutter – bis es eskaliert. (Symbolbild) - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Familie leidet jahrelang unter den Lügen und Manipulationen der Stiefmutter.
  • Sie versucht, seine Kinder von ihrem Mann fernzuhalten, selbst, als er schwer krank wird.
  • Eine Expertin erklärt, was es damit auf sich hat – und was Betroffene tun können.

Alles fängt harmlos an. Daphne Schmitt* (40) aus Bern und ihre Schwester werden von ihrem Vater zum Essen eingeladen. Sie sollen seine neue Partnerin kennenlernen.

«Wir haben uns gut verstanden», erinnert sich die gebürtige Deutsche. «Die Partnerin, Hildegard*, hat uns grosszügige Geschenke mitgebracht.»

Doch schon am nächsten Tag liefert ein Anruf den Vorgeschmack auf den Psychoterror, der folgen soll. «Mein Papa sagte mir, Hildegard sei enttäuscht. Wir hätten uns nicht bedankt.»

Schmitt ist überrumpelt. Sie erinnert sich eindeutig daran, sich ausführlich bedankt zu haben. «Mein Vater meinte darauf nur, das habe Hildegard anders wahrgenommen, ich solle mich entschuldigen.»

«Die Wahrheit wird immer so verdreht, dass sie das Opfer ist»

Mehr als 20 Jahre ist das erste Treffen her – seither folgt Lüge auf Lüge. «Hildegard versuchte gezielt, einen Keil zwischen uns und unseren Vater zu treiben.»

Immer wieder sagt sie Familientreffen kurzfristig ab. Sie verunmöglicht es den Kindern, den Vater zu kontaktieren. Und wenn sie doch einen Anruf toleriert, hört sie das Gespräch ab.

Kommst du mit den Partnern deiner Eltern gut zurecht?

«Dann erzählt sie herum, dass wir uns nicht für Papa interessieren würden. Die Wahrheit wird immer so verdreht, dass sie das Opfer ist», sagt Schmitt.

Sie macht den Psychoterror jahrelang mit – aus Angst, sonst den Vater zu verlieren. Doch die Situation verschärft sich, als er schwer krank wird.

«Sie hat seinen Ärzten verboten, uns zu informieren, sollte er sterben», sagt Daphne Schmitt. Die Angst der Bernerin: «Dass sie mich erst ein paar Stunden vor der Beerdigung kontaktieren wird, sodass ich nicht rechtzeitig anreisen kann.»

Das habe sie in der Vergangenheit bei einem anderen Todesfall sogar bereits getan. «Damit sie die Familie als schlechte Menschen darstellen kann, die nicht einmal an die Beerdigung kommen.»

Zoff eskaliert

Bei einem Familienbesuch in Deutschland eskaliert die Situation schliesslich. Die Stiefmutter nörgelt ständig herum, stellt den Vater bloss. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich – «wegen des Stresses», ist Schmitt überzeugt.

Ihr reicht es. Sie beschliesst, ihrem Vater anzubieten, zu ihr in die Schweiz zu kommen. Der Stiefmutter erzählt sie nichts von dem Telefongespräch – doch sie hört es ab. «Und dann hatte ich plötzlich einen fünfseitigen, handgeschriebenen Brief voller neuer Vorwürfe im Briefkasten.»

Brief
Die erste Seite des langen Briefs, den Daphne Schmitt erhalten hat. Darin inszeniert sie sich als unschuldige, ältere Dame, ärgert sich die Stieftochter. - zVg

Der Inhalt macht die Bernerin fuchsteufelswild. «Wer sie nicht kennt, muss den Brief lesen und denken, ich würde eine unschuldige, ältere Dame terrorisieren. Nicht umgekehrt.» Gegen aussen tue die Stiefmutter alles, um die Spuren ihrer Lügen und Manipulationsversuche zu verwischen.

Narzissten wollen Betroffene von Freunden und Familie isolieren

«Hier gibt es klare Anzeichen, die auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung oder auf narzisstische Züge hindeuten», sagt Chris Oeuvray zu Nau.ch. Sie ist psychologische Beraterin in Zug und leitet unter anderem eine Selbsthilfegruppe für Opfer von narzisstischen Angehörigen.

Um eine Diagnose zu stellen, brauche es einen Psychiater oder eine Psychiaterin, betont sie. Doch in Oeuvrays Selbsthilfegruppen würden Betroffene oftmals über ähnliche Erfahrungen sprechen wie Schmitt.

Kennst du eine Person, bei der du narzisstische Züge vermutest?

Sie listet auf: «Sogenanntes Gaslighting: Die Betroffenen werden dazu gebracht, an ihrer eigenen Wahrnehmung der Realität zu zweifeln. Der Narzisst verdreht die Wahrheit zu seinen Gunsten und versucht, die Betroffenen von Freunden und Familie zu isolieren.»

Oftmals stellen sich Narzisstinnen und Narzissten auch als Opfer dar. Das geht so weit, dass sich Personen, die selbst narzisstische Züge haben, für Oeuvrays Selbsthilfegruppen einschreiben. Alles Maschen, um andere kontrollieren zu können.

Störung nicht heilbar

Aber warum verhalten sich Narzissten so? «Sie können keine Empathie empfinden und sind egozentrisch. Sie wollen immer im Mittelpunkt stehen.»

Die Störung sei nicht heilbar. «Einsicht ist selten, aber nicht unmöglich. In der Regel geschieht das nur, wenn Betroffene mit schwerwiegenden Konsequenzen konfrontiert werden. Etwa einem Job- oder Beziehungsverlust.»

Narzissmus
Chris Oeuvray ist psychologische Beraterin in Zug und leitet unter anderem eine Selbsthilfegruppe für Opfer von narzisstischen Angehörigen. - ch-oeuvray.ch

Der Bernerin rät sie deshalb, ihre eigene psychische Gesundheit zu priorisieren. «Es ist wichtig, sich emotional abzugrenzen, um sich nicht von den Manipulationen beeinflussen zu lassen.» Zudem könne sie ihre rechtlichen Möglichkeiten abklären – gerade, weil die Stiefmutter Ärzten die Kontaktaufnahme verboten hat.

Es helfe, Gespräche schriftlich festzuhalten, um in Zukunft Beweise zu haben und sich nicht verunsichern zu lassen. Wichtig sei es auch, klare Grenzen zu setzen und das Gespräch mit einem neutralen Dritten zu suchen. Etwa einem Therapeuten oder Mediator.

«Und es gibt diverse Anlaufstellen für Betroffene, zum Beispiel Selbsthilfegruppen, Therapeuten und Beratungsstellen.»

*Name von der Redaktion geändert

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Kommentare

User #1813 (nicht angemeldet)

Narzissmus – vor allem der Begriff – ist mit zahlreichen Missverständnissen und fehlerhaften Annahmen verbunden. Ein Großteil dieser Unklarheiten beruht auf der falschen Vorstellung, dass es nur den pathologischen und daher toxischen Narzissmus gibt. Es gibt darüber hinaus aber auch einen gesunden Narzissmus, den wir alle haben sollten. Warum wir auf eine gesunde Art narzisstisch veranlagt sein sollten, müsste eigentlich auf der Hand liegen. Wer – vor allem bei beruflichen und privaten Rückschlägen – um seinen Wert als Mensch Bescheid weiß, bedeutet, dass er oder sie wertvoll ist, trotz des Scheiterns, trotz der Niederlage, trotz der missglückten Beziehung, trotz der frustrierenden Partnerschaft usw. der oder die ist mit sich selbst im Reinen und kommt, was wichtig ist, ohne Vergleiche aus. Dass wir mit so einem stabilen Selbstwertgefühl jedoch nicht einfach so auf die Welt kommen, ist eine oftmals vergessene Tatsache. Denn jeder Mensch ist narzisstisch. Zumindest gibt es Lebensphasen, in denen wir besonders narzisstisch sind. Als Kinder zum Beispiel. Also bevor wir gelernt haben, dass die Welt sich nicht nur um uns dreht. Als Teenager, wenn die Hormone verrücktspielen, sind wir ebenfalls narzisstisch. Sogar noch als junge Erwachsene, wenn wir um unsere Identität kämpfen.

Amediesli

So eine Mutter hatte ich auch. Sie hat mich möglichst nie mit meinem Papa alleingelassen, wir hätten ja unsere Beziehung störken können. Im ganzen Quartier hat sie rumerzählt, dass ich eine schlechte Tochter bin. Vor drei Jahren ist sie gestirben. Ich vermisse sie nicht.

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