Narzisstische Stiefmutter terrorisiert Bernerin (40)
Seit Jahren leidet eine Bernerin unter ihrer Stiefmutter. Sie lügt, manipuliert und kontrolliert – klare Anzeichen von Narzissmus. Was Betroffene tun können.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Familie leidet jahrelang unter den Lügen und Manipulationen der Stiefmutter.
- Sie versucht, seine Kinder von ihrem Mann fernzuhalten, selbst, als er schwer krank wird.
- Eine Expertin erklärt, was es damit auf sich hat – und was Betroffene tun können.
Alles fängt harmlos an. Daphne Schmitt* (40) aus Bern und ihre Schwester werden von ihrem Vater zum Essen eingeladen. Sie sollen seine neue Partnerin kennenlernen.
«Wir haben uns gut verstanden», erinnert sich die gebürtige Deutsche. «Die Partnerin, Hildegard*, hat uns grosszügige Geschenke mitgebracht.»
Doch schon am nächsten Tag liefert ein Anruf den Vorgeschmack auf den Psychoterror, der folgen soll. «Mein Papa sagte mir, Hildegard sei enttäuscht. Wir hätten uns nicht bedankt.»
Schmitt ist überrumpelt. Sie erinnert sich eindeutig daran, sich ausführlich bedankt zu haben. «Mein Vater meinte darauf nur, das habe Hildegard anders wahrgenommen, ich solle mich entschuldigen.»
«Die Wahrheit wird immer so verdreht, dass sie das Opfer ist»
Mehr als 20 Jahre ist das erste Treffen her – seither folgt Lüge auf Lüge. «Hildegard versuchte gezielt, einen Keil zwischen uns und unseren Vater zu treiben.»
Immer wieder sagt sie Familientreffen kurzfristig ab. Sie verunmöglicht es den Kindern, den Vater zu kontaktieren. Und wenn sie doch einen Anruf toleriert, hört sie das Gespräch ab.
«Dann erzählt sie herum, dass wir uns nicht für Papa interessieren würden. Die Wahrheit wird immer so verdreht, dass sie das Opfer ist», sagt Schmitt.
Sie macht den Psychoterror jahrelang mit – aus Angst, sonst den Vater zu verlieren. Doch die Situation verschärft sich, als er schwer krank wird.
«Sie hat seinen Ärzten verboten, uns zu informieren, sollte er sterben», sagt Daphne Schmitt. Die Angst der Bernerin: «Dass sie mich erst ein paar Stunden vor der Beerdigung kontaktieren wird, sodass ich nicht rechtzeitig anreisen kann.»
Das habe sie in der Vergangenheit bei einem anderen Todesfall sogar bereits getan. «Damit sie die Familie als schlechte Menschen darstellen kann, die nicht einmal an die Beerdigung kommen.»
Zoff eskaliert
Bei einem Familienbesuch in Deutschland eskaliert die Situation schliesslich. Die Stiefmutter nörgelt ständig herum, stellt den Vater bloss. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich – «wegen des Stresses», ist Schmitt überzeugt.
Ihr reicht es. Sie beschliesst, ihrem Vater anzubieten, zu ihr in die Schweiz zu kommen. Der Stiefmutter erzählt sie nichts von dem Telefongespräch – doch sie hört es ab. «Und dann hatte ich plötzlich einen fünfseitigen, handgeschriebenen Brief voller neuer Vorwürfe im Briefkasten.»
Der Inhalt macht die Bernerin fuchsteufelswild. «Wer sie nicht kennt, muss den Brief lesen und denken, ich würde eine unschuldige, ältere Dame terrorisieren. Nicht umgekehrt.» Gegen aussen tue die Stiefmutter alles, um die Spuren ihrer Lügen und Manipulationsversuche zu verwischen.
Narzissten wollen Betroffene von Freunden und Familie isolieren
«Hier gibt es klare Anzeichen, die auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung oder auf narzisstische Züge hindeuten», sagt Chris Oeuvray zu Nau.ch. Sie ist psychologische Beraterin in Zug und leitet unter anderem eine Selbsthilfegruppe für Opfer von narzisstischen Angehörigen.
Um eine Diagnose zu stellen, brauche es einen Psychiater oder eine Psychiaterin, betont sie. Doch in Oeuvrays Selbsthilfegruppen würden Betroffene oftmals über ähnliche Erfahrungen sprechen wie Schmitt.
Sie listet auf: «Sogenanntes Gaslighting: Die Betroffenen werden dazu gebracht, an ihrer eigenen Wahrnehmung der Realität zu zweifeln. Der Narzisst verdreht die Wahrheit zu seinen Gunsten und versucht, die Betroffenen von Freunden und Familie zu isolieren.»
Oftmals stellen sich Narzisstinnen und Narzissten auch als Opfer dar. Das geht so weit, dass sich Personen, die selbst narzisstische Züge haben, für Oeuvrays Selbsthilfegruppen einschreiben. Alles Maschen, um andere kontrollieren zu können.
Störung nicht heilbar
Aber warum verhalten sich Narzissten so? «Sie können keine Empathie empfinden und sind egozentrisch. Sie wollen immer im Mittelpunkt stehen.»
Die Störung sei nicht heilbar. «Einsicht ist selten, aber nicht unmöglich. In der Regel geschieht das nur, wenn Betroffene mit schwerwiegenden Konsequenzen konfrontiert werden. Etwa einem Job- oder Beziehungsverlust.»
Der Bernerin rät sie deshalb, ihre eigene psychische Gesundheit zu priorisieren. «Es ist wichtig, sich emotional abzugrenzen, um sich nicht von den Manipulationen beeinflussen zu lassen.» Zudem könne sie ihre rechtlichen Möglichkeiten abklären – gerade, weil die Stiefmutter Ärzten die Kontaktaufnahme verboten hat.
Es helfe, Gespräche schriftlich festzuhalten, um in Zukunft Beweise zu haben und sich nicht verunsichern zu lassen. Wichtig sei es auch, klare Grenzen zu setzen und das Gespräch mit einem neutralen Dritten zu suchen. Etwa einem Therapeuten oder Mediator.
«Und es gibt diverse Anlaufstellen für Betroffene, zum Beispiel Selbsthilfegruppen, Therapeuten und Beratungsstellen.»
*Name von der Redaktion geändert