Nimmt Gewalt an Frauen wegen Feminismus zu?
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Studie der ZHAW sagt: Jeder fünfte muslimische Junge befürwortet Gewalt an Frauen.
- Frauenhäuser beobachten, dass Kinder, die Gewalt erleben, selber gewalttätig werden.
- Zudem würde der Machismo in der Gesellschaft wieder zunehmen.
Jeder fünfte Jugendliche mit muslimischem Hintergrund soll Gewalt an Frauen in Ordnung finden. Zumindest dann, wenn sie im familiären Rahmen stattfindet. Das ergab eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft (ZHAW).
Doch zwischen Denken und Handeln besteht oft ein grosser Unterschied. Nau hat darum bei jenen nachgefragt, die täglich mit Gewalt an Frauen konfrontiert werden. Den Frauenhäusern.
Gewalt ist grenzenlos
Dort ist man erstaunt, ob dem Fokus, den die Studienleiter gewählt haben. «Wir führen keine Religions-Statistik», sagt Silvia Vetsch, Geschäftsleiterin des Frauenhaus St. Gallen. Es stimme zwar, dass die Mehrheit der Schutz suchenden Frauen nicht aus der Schweiz komme.
Aber: «Nicht jede Ausländerin ist mit einem Ausländer verheiratet. Das vergisst man oft.» Frauen aus Osteuropa, Asien oder auch Südamerika seien meist mit einem Mann aus der Schweiz zusammen.
Züchtigungsrecht bis 1978 in der Schweiz
Wer (häusliche) Gewalt als Ausländer-Problem abschiebe, vergesse oft eine Sache. «Das Züchtigungsrecht für Männer in der Ehe bestand auch in der Schweiz noch bis 1978», so Vetsch. Fazit: «Auch die christlich sozialisierten Schweizer können zuschlagen.»
Das deckt sich mit einem weiteren Punkt, den Vetsch beobachtet: «Mit dem Frauenstreik hat der Feminismus sich intensiviert. Viele junge Frauen engagieren sich wieder sehr. Gleichzeitig hat aber auch der Machismo wieder zugenommen.»
Zu letzterem habe sie keine konkreten Zahlen, so Vetsch. Das entspreche ihrer Erfahrung im Frauenhaus-Alltag. Dass die Fronten sich zu verhärten scheinen, ist nicht nur für die aktuelle Lage prekär. Es prägt auch kommende Generationen.
Von Generation zu Generation
«Man weiss schon lange: Wer Opfer von Gewalt wird und das nicht aufarbeitet, reagiert häufig auf zwei Arten. Entweder, die Person verharrt in der Opferrolle. So handeln meistens die Frauen. Oder sie beginnt, selber Gewalt auszuüben. Das geschieht vermehrt bei Männern», erklärt Vetsch.
«Häusliche Gewalt wiederholt sich darum oft über Generationen. Heute habe ich bei mir im Frauenhaus manchmal die Frauen von Buben, die vor Jahren mit ihren Müttern selber hier waren.»
Präventionsarbeit wichtig
Damals hätten die Buben sich schützend vor die Mütter gestellt. Heute habe sich ihr Gewalt-Schema verschoben.
Für Vetsch ist darum klar: «Wichtig ist, mit den Kindern zu reden und sie in dieser schwierigen Situation richtig abzuholen.» Dann, davon sei auszugehen, sinke auch die Wahrscheinlichkeit, dass junge Männer Gewalt befürworten. Egal, welcher Religion oder Gesellschaftsschicht sie angehören.