Oberriet SG: Kein Pass für Mergim, weil er Dorfbeizen nicht kannte
Das Wichtigste in Kürze
- Der St. Galler Gemeinde Oberriet wird vorgeworfen, bei der Einbürgerung zu streng zu sein.
- Der Gemeindepräsident Rolf Huber weist jegliche Vorwürfe von sich.
- Mergim Ahmeti musste drei Jahre lang um den Schweizer Pass kämpfen.
Jedes zweite Gesuch um die Einbürgerung in der Gemeinde Oberriet SG wird abgelehnt – so auch Mergim Ahmetis. Obwohl er hier geboren ist, musste der Kosovare drei Jahre um den Schweizer Pass kämpfen.
Denn: Beim ersten Gespräch vor vier Jahren konnte er die Namen der Dorfbeizen nicht nennen – und fiel durch.
Er selbst empfindet die Frage rückblickend als unberechtigt. Als Jugendlicher würde man in «moderneren Lokalen» verkehren und nicht in den Dorfbeizen, erklärt er gegenüber SRF.
Seinen Frust über die Behörden verarbeitete der mittlerweile eingebürgerte Mergim in einem Rap-Song. Vor einem Jahr postete er einen Clip dazu auf YouTube.
Auch Artina muss um Pass kämpfen
Mergim ist bei weitem keine Ausnahme, wie der Beitrag der SRF-Rundschau zeigt. «Was würdest du machen, wenn dein Vater einen wildfremden Mann nach Hause bringt und du ihn heiraten müsstest?» Das wurde Artina Ahmeti damals während des Einbürgerungsverfahrens in Oberriet SG vom Gemeindepräsident Rolf Huber gefragt.
Sie würde ihn nicht heiraten, antwortete Artina. Daraufhin erwiderte ihr Gegenüber, ob sie tatsächlich so eine «freche» Tochter wäre, den Wunsch ihres Vaters abzulehnen. Eine Anspielung auf Zwangsheirat – ein Vorurteil, wie Artina sagt.
Nach dem Gespräch sei sie «extrem verzweifelt» gewesen. «Ich habe anhand der Fragen gemerkt, dass es gar nicht darum geht, mich kennenzulernen. Sie wollten mich gar nicht einbürgern», erklärt Artina.
Oberriet SG gibt falsches Signal
Ihr Antrag wurde abgelehnt, weil ihre Familie zu wenig integriert sei. Erst fünf Jahre später traute sie sich, erneut den Antrag auf Einbürgerung zu stellen. Auch beim zweiten Mal seien der jungen Kosovarin «unfaire» Fragen gestellt worden.
Sollte das Einbürgerungsverfahren in Oberriet SG vereinfacht werden?
Anwalt Paul Rechsteiner bedauert die Herangehensweise der St. Galler Gemeinde. «Man signalisiert den Leuten von Anfang an: Wir wollen euch nicht.»
Jedoch wehrt sich der Gemeindepräsident Rolf Huber gegen jegliche Vorwürfe. «Es ist nicht unsere Absicht, Ausländerinnen und Ausländer beim Einbürgerungsverfahren zu diskriminieren», beteuert Huber.
Kanton rügte Gemeindepräsident schon mehrmals
Der Vorsitzende der Einbürgerungskommission wurde bereits mehrmals von den kantonalen Behörden zurechtgewiesen. Das Gericht bezeichnete seine Fragen als spitzfindig. Mehr als von einem durchschnittlichen Schweizer mit Wohnsitz in der Gemeinde Oberriet SG dürfe er nicht verlangen.
Bei der Strassenumfrage der «Rundschau» wird ersichtlich, dass auch Oberriets Einwohnerinnen und Einwohner Hubers Fragen teils nicht beantworten können. Ausländer sollen solche Fragen laut einer Bewohnerin nicht unbedingt beantworten können. Wichtiger sei, wie lange sie schon in der Schweiz lebten und, dass sie anständig seien, so ein Oberrieter.