Opernsängerin Vuvu Mpofu am Theater St. Gallen auf Entdeckungsreise
Vuvu Mpofu gehört seit kurzem zum festen Ensemble am Theater St. Gallen. Die Sopranistin aus Südafrika startet mit einer anspruchsvollen Rolle in die Saison. Am Rande einer Probe für die Oper «Breaking the Waves» erzählt die 30-Jährige von ihrem Werdegang.
Das Wichtigste in Kürze
- Zwanzig Jahre nach Lars von Triers Film «Breaking the Waves» wurde 2016 in Philadelphia die Opernversion des Stoffes erfolgreich uraufgeführt.
Die US-amerikanische Komponistin und Grammy-Gewinnerin Missy Mazzoli zeichnet darin das Porträt einer naiven Antiheldin, die aus Selbstlosigkeit zum Opfer einer isolierten Gesellschaft wird. Die Oper «Breaking the Waves» feiert am 18. September im Umbau des Theater St. Gallen Premiere.
Die Geschichte: Das geistig instabile und religiöse Mädchen Bess verliebt sich im ländlichen Schottland leidenschaftlich in den Bohrinselarbeiter Jan. Nach der Hochzeit wird er bei der Arbeit schwer verletzt. Der querschnittgelähmte Jan befiehlt seiner Frau, Sex mit anderen Männern zu haben. Im Glauben, ihrem Mann damit zu helfen, tut Bess wie ihr befohlen und folgt ihrem Schicksal.
Emily Watson verkörperte Bess im Film. Sie balancierte gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen tiefer Gläubigkeit und religiösem Wahn. Diese Rolle muss sich nun Vuvu Mpofu in wenigen Wochen einverleiben. Emily Watson habe grossartig gespielt, sagt die Sängerin im Gespräch mit Keystone-SDA. Sie habe den Film aber nur einmal gesehen. «Ich will meine eigene Sicht auf Bess auf die Bühne bringen.»
Die Musik des Stücks sei dramatisch, wild und verrückt. Die Oper basiere zwar auf dem Film, das Setting auf der Bühne unterscheide sich aber stark. Es sei befreiend Melly Still als Regisseurin zu haben. «Sie fordert uns physisch und emotional.» Das sei manchmal auch etwas erschreckend. «Du musst für alles offen sein.» In der Geschichte viel physische Sexualität in der Geschichte.
Es sei toll zu sehen, was Frauen der Opernwelt zu bieten hätten. Melly Still gehe mit einer theatralen Sicht an das Stück heran. Sie habe es geschafft, ihr auf der Bühne ein gutes Gefühl zu geben.
Mpofu studierte an der Universität Kapstadt Gesang. «Singen war schon von klein auf Teil meines Lebens.» Ihr Vater dirigierte den Schulchor. Die Grossmutter war Schulleiterin. Vuvu Mpofu sang nicht nur im Schulchor. «Meine Grossmutter ermunterte mich dazu, als Solistin in der Kirche zu singen.»
Als sie im Highschool-Chor eine Sängerin aus «Don Giovanni» singen hörte, war es um den Teenager geschehen. Sie lieh sich in der Bibliothek alles über Opern aus. «La Traviata» war die erste Opern-DVD die sie gesehen hat. «Es hat mich umgehauen», sagt Vuvu Mpofu. Das Erlebnis sei magisch gewesen. Sie habe sich sofort in die Oper verliebt. «Meine liebste Oper - bis heute.»
In ihrer Black Community sei es nicht üblich gewesen, eine Karriere als Sängerin anzustreben - aus finanziellen Überlegungen. Zuerst sei ihre Familie nicht glücklich gewesen mit ihren Plänen. «Als sie gesehen haben, mit welcher Leidenschaft ich singe, haben sie mich unterstützt», erklärt sie.
Mit 18 Jahren zog sie von Port Elizabeth nach Kapstadt. Einer ihrer Lehrer an der Universität habe sie ermuntert, an internationalen Wettbewerben teilzunehmen. 2015 gewann sie den dritten Preis beim Gesangswettbewerb Operalia in London und sie war Finalistin bei der Hans Gabor Belvedere Singing Competition.
Wegen der Corona-Pandemie wurden alle Engagements der aufstrebenden Sängerin - etwa an den Opernhäusern von Köln, München und Nancy - abgesagt. Sie sei gerade bei ihrer Familie in Südafrika gewesen, als der Lockdown verhängt wurde. Als freischaffende Sängerin habe sie keine Einnahmen mehr gehabt.
Natürlich habe sie nicht aufgehört, ihre Stimmen zu trainieren. Das sei eine gute Methode, um die bedrückte Stimmung zu heben. «Ich bin ein positiv denkender Mensch.» Sie habe die Zeit mit ihrer Familie auch genossen und sich intensiv auf die Geburt ihrer Tochter vorbereitet.
In St. Gallen sei sie sehr gut aufgenommen worden. Einzig ihre Tochter fehle ihr. «Ich wollte nie eine abwesende Mutter sein», sagt die Südafrikanerin mit Muttersprache Xhosa. Doch die Visa-Bestimmungen verhinderten bislang die Einreise der Tochter. Im nächsten Januar will sie ihr Kind zu sich in die Schweiz holen.
«Breaking the Waves» sei ihre erste Erfahrung mit Musik des 21. Jahrhunderts. «Ich dachte immer, moderne Musik ist überdreht und verrückt.» Sie sei begeistert von dem Stück und freue sich auf weitere Neuentdeckungen. «Doch nichts geht über die Klassiker», betont sie. Am 23. Oktober hat Mozarts Zauberflöte in St. Gallen Premiere. Vuvu Mpofu singt die Rolle der Pamina, Tochter der Königin der Nacht.
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