Parkplatz-«Abzocke» in Lyssach BE eskaliert
Eine Berner Autofahrerin wirft einem Parkplatzbetreiber Lügen vor – und versucht, ihn vor Ort zu konfrontieren. Er sieht sich «zu 100 Prozent» im Recht.
Das Wichtigste in Kürze
- In Lyssach BE sorgt ein Parkplatz immer wieder für Negativschlagzeilen.
- Diverse Vorwürfe stehen im Raum. Unter anderem geht es um hohe Bussen ohne Vorwarnung.
- Eine Betroffene machte das so hässig, dass sie am Häuschen des Betreibers anklopfte.
Seit Jahren sorgt der Park-and-Ride-Parkplatz in Lyssach BE für Ärger. Was der Besitzer tut, bringt ihm zwar zahlreiche Negativschlagzeilen und -bewertungen ein. In den Google-Bewertungen ist von «Abzocke» die Rede. Doch nachgewiesen werden kann ihm kaum etwas.
Jetzt ist es erneut zu Streitereien gekommen. Eine Autofahrerin ist so hässig, dass sie versucht, den Betreiber vor Ort zu konfrontieren. Aber von vorne.
Das Problem: Autofahrerinnen und -fahrer werfen dem Parkplatzbetreiber vor, sie in eine Falle zu locken. Die Parkuhren seien nicht gut erkennbar, ein Schild, das unbefugtes Parken verbietet, sehe man ebenfalls schlecht. Zudem befindet sich der Parkplatz direkt neben Kundenparkplätzen der anliegenden Geschäfte – es besteht Verwechslungsgefahr.
Wer nicht zahlt, den erwischt es: saftige Bussen, Anschuldigungen und Anzeigen. So passiert ist das auch der Langenthalerin Stephanie B. Sie stellte ihr Auto im Januar auf dem Parkplatz ab, ohne zu bezahlen.
Monate später, Anfang April, flattert eine Nachforderung über 52 Franken ins Haus. Bis dahin: «Alles ganz normal», denkt sich B. und bezahlt.
«Ich hätte gerne einmal das Gesicht dazu gesehen»
Anfang Mai erhält die Bernerin plötzlich «ein ziemlich dickes Couvert». Darin findet sie eine Betreibungsandrohung, eine Anzeige, eine 300-Franken-Rechnung und die Kopie eines Strafbefehls eines anderen Fahrers. Also eine Drohung.
B. wittert, dass etwas nicht stimmt. Besonders nachdem sie den Parkplatz googelt und die zahlreichen Artikel dazu findet.
«Also habe ich der Staatsanwaltschaft angerufen und gefragt, ob wirklich Anzeige gegen mich erstattet wurde.» Doch die weiss von nichts.
Dreist: «Im Brief steht, ich hätte die Rechnung bis zum 11. März zahlen müssen. Dabei bekam ich sie erst im April.» Zudem behauptet die Firma, sie hätten ihr die Rechnung im Januar schon ans Auto geheftet. «Das stimmt aber nicht!»
Sie ist so verärgert, dass sie kurzerhand beschliesst, den Besitzer persönlich zu konfrontieren. Zurück beim Parkplatz klopft sie an das Häuschen, das dazu gehört. «Ich war aufgewühlt, weil ich nicht wusste, was mich erwartet», erinnert sie sich. Ein Angestellter macht auf – der Chef sei nicht da.
«Ich will das Gesicht dazu sehen», sagt sie wütend. «Ich will wissen, wie man hinter so etwas stehen kann!» Der Mitarbeiter wehrt weiter ab, Kontaktdaten könne er nicht herausgeben.
B. gibt schliesslich auf. Zurück bleibt der Frust – und eine offene Rechnung.
Parkplatzchef krebst zurück
Auf Anfrage von Nau.ch bestätigt der Betreiber, dass B. im Januar ihr Auto parkierte, ohne zu zahlen. Dann gehen die Darstellungen aber auseinander.
Er bekräftigt, was er der Bernerin im Brief mit der 300-Franken-Rechnung schreibt: Es sei im Januar eine Rechnung unter dem Scheibenwischer platziert worden.
Dann habe er eine Nachforderung geschickt und – weil die nicht bezahlt wurde – am 11. März Anzeige erstattet. Briefe, die B. nicht erhalten hat, wie sie beteuert.
Dass die Staatsanwaltschaft nichts von einer Anzeige wusste, erklärt der Betreiber damit, dass sie noch nicht bearbeitet wurde.
«Wir fühlen uns zu 100 Prozent im Recht!»
Ohnehin sieht er sich als Opfer einer Hexenjagd. Die zahlreichen Negativbeurteilungen seien «zu 99 Prozent von Fällen wie Frau B., die ihren Fehler nicht einsehen».
Es gebe bis heute kein rechtskräftiges Urteil gegen seine Firma. «Wir fühlen uns zu 100 Prozent im Recht!»
Die meisten würden die Nachforderung fristgerecht begleichen und auch, dass der Parkplatz schlecht gekennzeichnet sei, stimme nicht.
An den 300 Franken Busse will er aber nicht festhalten. Er betont zwar, dass B. die Nachforderung «zu spät» bezahlt habe. Er wolle ihr jetzt aber einen Kompromiss vorschlagen: Sie müsse nur noch 48 Franken überweisen.
Gericht stellt Geschäftsmodell infrage
«Zu 100 Prozent im Recht» liegt der Parkplatzchef offenbar nicht. Im Februar verlor er gleich zweimal vor Gericht, wie SRF berichtet: Ein Fahrer, den er angezeigt hatte, wurde freigesprochen.
Zudem kritisierten die Richter das Geschäftsmodell. Das angebrachte Parkverbot sei fehl am Platz, schliesslich wolle der Betreiber, dass die Leute bei ihm parkieren. Für die hohen Bussen, die er auf Basis des Verbots verteile, gebe es also keine Rechtsgrundlage.
Der Parkplatzchef kündigte an, er werde gegen den Entscheid in Berufung gehen. Gegenüber Nau.ch sagt er, es gebe bis heute kein rechtskräftiges Urteil.
Laut Sprecher Christof Scheurer von der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern ist aber noch eine weitere Frage offen: «Fraglich ist, ob es strafrechtlich relevant ist, wenn jemand auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz parkiert, ohne zu bezahlen.» Also, ob es dem Parkplatzchef überhaupt etwas bringt, Anzeigen zu erstatten. Diesbezüglich sei ein Verfahren beim Obergericht Bern hängig.
Klar ist aber: Weder die Polizei noch die Gemeinde Lyssach oder die Staatsanwaltschaft wollen den Parkplatz verbieten, wie sie auf Anfrage sagen.